Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll ANNELIESE WELTHER
Foto MARTIN FENGEL
Die mit den Farben spielt
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Überall stehen Kräne und Bauzäune herum, nur die Straßen sind geteert, Gehsteige gibt es noch nicht. Das Viertel, in dem ich wohne, Freiham, befindet sich gerade im Aufbau. In meinem Haus fehlen Geländer, der Balkon vor meiner Haustür ist provisorisch mit Grobspanplatten befestigt. Auch drinnen in meiner Einzimmerwohnung ist alles nagelneu und in den Farben Weiß, Rot und Grau eingerichtet. Ich finde, die Kombination von Weiß und Rot erzeugt eine angenehme Stimmung. In Italien habe ich mal eine Wohnung in diesen Farben gesehen und war ganz angetan, nun bin ich froh, mich auch so einrichten zu können. Da ich zuvor in einer Pension wohnte, besaß ich beim Einzug keine Möbel und musste mir alles kaufen. Von BISS habe ich hierfür 1.500 Euro bekommen sowie auch Vorhänge, Lampen und eine kleine Küchenzeile. In der Pension war es mir in all der Enge nicht möglich, richtig zu kochen. Es ist toll, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, Gäste zu bewirten und sie sogar bei mir übernachten zu lassen. So war vor Kurzem eine Freundin aus meinem Heimatland Rumänien da und hat mir Truthahnfleisch sowie selbst gemachte Marmeladen und Zacuscă mitgebracht, ein in Rumänien sehr beliebtes Mus aus Paprika, Auberginen und Tomaten. Mein gesamtes Gefrierfach ist voll von dem mitgebrachten Fleisch, das ich vor allem an Feiertagen zubereiten werde. Die Marmeladen und die Zacuscă lagere ich gemeinsam mit Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch auf meinem Minibalkon, für mehr ist dort gar kein Platz. Neben der Balkontür in einem Regal sind ganz oben Fotos von meinen BISS-Kolleginnen und mir, darunter Familienfotos, auch von meinem Sohn, als er noch klein war, und ganz unten Heiligenbilder. Wenn ich nicht weiß, wie etwas funktioniert, zum Beispiel der Backofen oder die Waschmaschine, frage ich meinen BISS-Kollegen, der nur ein paar Türen weiter wohnt. So allein tue ich mir oft schwer, aber mir ist es unangenehm, den Kollegen ständig zu fragen. Zum Glück komme ich mit den anderen Nachbarn ebenfalls gut aus, sie haben mir zum Beispiel schon beim Einrichten des Internets geholfen. Es wohnen hier sehr nette Menschen, wir grüßen uns, selbst wenn wir uns nur aus der Ferne sehen. Als man mir sagte, dass ich diese Wohnung kriegen würde, konnte ich es nicht glauben; selbst als ich die Schlüssel bereits in den Händen hielt, wusste ich nicht, ob ich nicht doch träume. Für die immense Freude finde ich keine Worte. In Gedanken habe ich Gott gedankt. Jeden Tag, wenn ich nach Hause zurückkehre, bekomme ich richtig Gänsehaut. In der Wohnung ist alles, was ich brauche. Sogar mein mittlerweile 21-jähriger Sohn, der momentan eine Therapie macht, hat einen Schrank für später, wenn er wieder zu mir zieht. Nur eins muss ich mir noch zulegen: Teppiche. Ins Zimmer soll ein grauer und in den Eingangsbereich ein roter kommen.