Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Der Vorsichtige
Protokoll FELICITAS WILKE
Foto: Martin Fengel

„Ich wohne seit 2004 in meiner Einzimmerwohnung in Sendling. Die 35 Quadratmeter habe ich für mich allein: ein Flur, ein Zimmer, ein Bad und eine Küche mit Gasherd. Vor ein paar Jahren wurden auch Heizkörper eingebaut, sodass es in jedem der Räume schön warm ist. Für meine Wohnung zahle ich gut 300 Euro Miete. Mit der Lage habe ich Glück: Die U-Bahn ist nicht weit, es sind Supermärkte in der Nähe, die Isar ist ums Eck – und die Innenstadt ist auch zu Fuß erreichbar. Ich bin in 15 Minuten an der Lindwurmstraße und am Goetheplatz, wo es mir besonders gut gefällt und wo sich viele Restaurants und Gaststätten befinden. Sie sind für mich mein Arbeitsplatz: Ich verkaufe die BISS vor allem abends in der Gastronomie oder am Wochenende vor dem Lodenfrey. Doch seit wir die Corona-Pandemie haben und die Restaurants und Geschäfte immer wieder schließen müssen, verkaufe ich nicht mehr. Ich bin sehr vorsichtig, was das Virus angeht, und finde es schade, dass es mit dem Impfen so langsam vorangeht. Deshalb verbringe ich gerade viel Zeit zu Hause. Viele Möbel brauche ich trotzdem nicht. In meinem Zimmer stehen ein Bett, ein Schrank, ein Tisch mit Stühlen und mein Fernseher. Mit dem Fernsehschauen vertreibe ich mir gerade die Zeit: Irgendwas läuft immer, ich schaue alles Mögliche, abends auch gern mal Krimis, zum Beispiel den „Tatort“. Zwischendurch koche ich mir nebenan in der Küche etwas zu Mittag. Wenn man sich in meinem Zimmer umschaut, fallen zwei Kunstwerke auf. An einer Wand hängt ein Schwarz-Weiß-Foto von mir, auf dem ich auf meinem Bett sitzend zu sehen bin. Es war mal Teil einer Ausstellung mit Fotos, die BISS-Verkäufer in ihrem Zuhause gezeigt haben. An der Wand gegenüber lehnt ein anderes Kunstwerk: Die Skizze zeigt einen Menschen von hinten. Ich habe es mal von einer Bedienung aus Schwabing geschenkt bekommen. In der Ecke zwischen Bett und Schrank steht meine weißblaue Fahne von 1860 München. Ich bin schon immer ein Fan der Sechzger und gehe auch gern ins Stadion – wenn nicht gerade Pandemie ist. Wie mein Fußballverein schon verrät, komme ich auch ursprünglich aus München, eigentlich aus Untergiesing, um genau zu sein. Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen und mit ihr auch öfter umgezogen. Erst in die Hansastraße, dann in die Goethestraße. Ich habe oft die Schule geschwänzt und als Jugendlicher für eine Weile in einem Heim gelebt. Von dort bin ich mit 16 Jahren abgehauen. Eine Ausbildung habe ich nie gemacht. Mal habe ich in Wohnheimen gelebt, mal in Pensionen, mal habe ich geschnorrt, mal bin ich über die Arbeitsvermittlung an Gelegenheitsjobs gekommen. Im Jahr 1998 hat sich dann für mich die Gelegenheit ergeben, für die BISS zu arbeiten. Einige Jahre später bin ich in meine jetzige Genossenschaftswohnung gezogen. Ich habe nie überlegt, aus München wegzugehen. Selbst wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich an meiner Wohnsituation nichts ändern. Wobei: Vielleicht würde ich dann direkt am Goetheplatz wohnen.