Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Protokoll ANNELIESE WELTHER

Foto MARTIN FENGEL

Der einsame Wolf

Mein Schlafplatz ist an einer Straße der Maxvorstadt. Hier gibt es viele kleine Geschäfte, Restaurants und Cafés, in denen ich mir oft einen wärmenden Kaffee to go hole. Gleich um die Ecke ist ein Supermarkt und es gibt ein öffentliches Bad in der Nähe. Meine Wäsche wasche ich in Waschsalons. Dafür muss ich ein paar Euro löhnen, aber das macht mir nichts aus, ich verdiene ja Geld. Früher habe ich auch an anderen Orten übernachtet wie dem Marienplatz. Dort war es mir zu laut und die Leute haben sich betrunken. Hier bin ich allein und über mir an der Hauswand ist ein Vorsprung, bei Regen bleibt alles trocken. In meinem Schlafsack habe ich es wohlig warm. Bis vor Kurzem legte ich ihn auf den Boden auf aufblasbare Isomatten. Mittlerweile schlafe ich auf einer Arztliege – das Geschenk eines Restaurantbesitzers aus der Nachbarschaft, der sie wiederum von einem Masseur hat. Einiges von meinem Hab und Gut waren Geschenke, etwa die zwei Fahrräder, die neben der Liege an der Ziegelwand lehnen. Manchmal fragen mich Leute, wie es mir geht oder ob sie mir einen Kaffee bringen können. Die meisten Vorbeigehenden sind nett, aber wie es im Leben so ist, gibt es auch böse Menschen. Eine ältere Frau hat mal einen Malerroller nach mir geworfen. Es haben mich auch Leute beschimpft und sogar im Schlaf getreten. Einiges ist mir auch gestohlen worden: Besonders schmerzhaft war der Verlust eines Fahrrads, das ich mir von meinem Ersparten gegönnt hatte. Aber auch ein Zelt und ein Stromgenerator, durch den ich etwas Licht und Wärme hatte, sind weggekommen. Mittlerweile habe ich mir eine Holzkiste gebaut, in der ich meine Kleider aufbewahre. Das daran befestigte Schloss wurde auch schon aufgebrochen. Die Kiste selbst ist den Langfingern bislang wohl zu klobig und zu schwer gewesen. Ich wuchs in Rumänien in einer Pflegefamilie auf und besaß dort zwei Zimmer für mich allein, mit Fernseher, Kassettenrekorder und vielen Büchern. An Jules Verne und eine Reihe Liebesromane kann ich mich erinnern und daran, dass ich „Wolfsblut“ von Jack London gelesen habe. Alles war perfekt, bis mein Pflegevater nach dem Tod meiner Pflegemutter erneut heiratete. Mit der neuen Frau verschlechterten sich die Beziehungen. Ich blieb weiter im Haus wohnen, als dann auch mein Pflegevater starb, wurde ich rausgeworfen. Seitdem lebe ich auf der Straße. In Rumänien ist das schlimmer als in Deutschland. Regelmäßig kommen Schlägertrupps vorbei und verprügeln einen. Geld verdiente ich auf Baustellen oder im Straßenbau, aber es gab immer wenig Arbeit und eine Wohnung fand ich nicht. Also beschloss ich, gen Westen zu ziehen und dort zu bleiben, wo es mir gefällt. So landete ich in München. Mit der Hilfe von BISS lebte ich anderthalb Jahre in einer WG. Leider kam ich mit meinem Mitbewohner sowie einer Nachbarin nicht aus und entschied mich dafür, Streit und Ärger aus dem Weg zu gehen und auszuziehen. Nun habe ich es aber langsam satt, auf der Straße zu leben. Vielleicht kriege ich ja wieder die Chance, irgendwo einzuziehen, am liebsten wäre mir eine Einzimmerwohnung, die muss auch nicht groß sein, einfach ein kleines Zimmer, das würde mir reichen.