Inhalt | Besser gesund bleiben | Krank sein ist nicht schön, ohne Krankenversicherung kann es lebensbedrohlich werden. | 6 Weisungsbetreuung: Wie bringt man Jugendliche auf den rechten Weg zurück? | 10 Julia von Heinz: Interview | 12 open.med: Hilfe für Menschen ohne Krankenversicherung | 18 Funktionelle Störungen: Krank ohne erklärbare Ursache | 25 Stiftung BISS: Verabschiedung von Bert Kühnöhl | 5 Wie ich wohne | 22 BISS-Verkäufer*innen erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 24 Patenuhren | 26 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen
Ärztin Kristina Huber und Projektreferentin Monica Ilea.
In Deutschland muss jeder Mensch eine Krankenversicherung haben. Das ist seit dem Jahr 2009 eine gesetzliche Pflicht. Aber mehr als eine halbe Million Menschen haben keine vollständige Krankenversicherung. Diese Menschen können nur hoffen, dass sie nicht schwer krank werden. Denn sie werden ohne Krankenversicherung beim Arzt oder im Krankenhaus meist nicht behandelt.
open.med ist eine medizinische Beratungs- und Behandlungsstelle. Sie hilft Menschen ohne Krankenversicherung. Die Hilfsorganisation „Ärzte der Welt hat sie im Jahr 2006 gegründet. open.med bedeutet so viel wie “offene Medizin“. open.med gibt es bisher in München, Stuttgart, Magdeburg, Hamburg und Berlin. In München bekommt open.med Geld von der Stadt, von Stiftungen und von privaten Spendern.
In München ist die Behandlungspraxis von open.med in der Dachauer Straße 161. Es gibt feste Sprechstunden. Und es gibt zwei Behandlungsbusse an verschiedenen Standorten. ( Alle Infos ganz unten).
open.med behandelt alle Menschen ohne Krankenversicherung,
egal ob aus Deutschland oder aus einem anderen Land.
Inhalt | Guter Start | Mit der Stiftung BISS können viele Familien in ein besseres Leben starten | 6 Cannabisgesetz: Wie steht es um die Sucht bei Jugendlichen? | 10 Budget für Arbeit: „Ich bin der Boss“ | 16 Beschwerdestelle: Pflege Rat und Unterstützung bei Problemen mit der Pflege | 18 Stiftung BISS: Wunderbare Fügungen | SCHREIBWERKSTATT | 5 Wie ich wohne | 24 BISS-Verkäufer und Verkäuferinnen erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 26 Patenuhren | 28 Freunde und Gönner | 30 Impressum, Mein Projekt | 31 Adressen
Viele Menschen mit Behinderung brauchen Assistenzkräfte, um selbstbestimmt zu leben.
Die Assistenzkräfte helfen in allen Bereichen des täglichen Lebens. Zum Beispiel bei der Körperpflege, im Haushalt, beim Kochen, in der Freizeit und im Urlaub, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Viele Menschen mit Behinderung wissen nicht:
Mit dem Arbeitgeber-Modell können sie ihre Assistenzkräfte selbst auswählen und bezahlen.
Kristina Biburger setzt sich dafür ein, dass viele Menschen mit Behinderung das wissen und nutzen.
Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten (Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung) können das Arbeitgeber-Modell nutzen. Bisher nutzen das in München nur etwa 150 Menschen.
Kristina Biburger nutzt das Arbeitgeber-Modell seit dem Jahr 2001. Sie hat 10 Assistenzkräfte eingestellt. Sie hat die Bewerbungsgespräche selbst geführt und sich ihre Angestellten ausgesucht.
Denn wichtig ist, dass man sich gut versteht und miteinander gut klarkommt.
Denn sie braucht ihre Assistenzkräfte in jeder Situation ihres Lebens, 24 Stunden am Tag. Auch in ihrer Freizeit, bei Kino-Besuchen, Familienfeiern, Konzerten oder im Urlaub. Kristina Biburger zahlt die Gehälter, sie plant die Schichten und schreibt Zeugnisse. Ihre Angestellten helfen ihr bei allen Tätigkeiten, die sie selbst nicht machen kann. Das Geld bekommen die Menschen mit Behinderung zum Beispiel vom Staat oder von der Kranken- oder Pflege-Kasse. Sie können selbst darüber bestimmen, wie sie das Geld nutzen. Denn Menschen mit Behinderung wissen selbst am besten, was sie brauchen. Kristina Biburger kann dadurch selbstbestimmt in ihrer Wohnung leben. Sie kann selbstbestimmt reisen, wann sie es möchte. Und sie ist dabei nicht abhängig von einem Pflegedienst.
Aber es macht natürlich auch viel Arbeit, alles selbst zu planen. Sie macht all das, was eine Chefin machen muss. Es ist ein richtiger Job. Aber dafür bekommt sie kein Geld.
Deshalb setzt sie sich auch dafür ein, dass dieser Job als Beruf anerkannt wird.
Man muss einen Antrag bei der Kranken- oder Pflegekasse stellen, um das Arbeitgeber-Modell nutzen zu können. Nach ein bis zwei Jahren muss man dann wieder einen Antrag stellen. Denn es könnte sich ja etwas im Leben geändert haben. Kristina Biburger sagt: „Das ist nervig und muss abgeschafft werden. Denn ich habe meine Behinderung von Geburt an. Was soll sich daran ändern? Ich stehe ja nicht wieder aus dem Rollstuhl auf.“
Das Internationale Netzwerk der Straßenzeitungen (INSP) feiert 25-jähriges Jubiläum
Straßenzeitungsmacher aus aller Welt in Hannover
Interview HANNELE HUHTALA von der Finnischen Straßenzeitung „Iso Numero“, Mel Young, Gründer des INSP sowie des Homeless World Cup (HWC), im Gespräch mit Fay Selvan, Big Issue North und INSP-Vorstand Foto: Sebastian Sellhorst, Text: Margit Roth
Dieses Jahr feierten beim internationalen Treffen der Straßenzeitungen in Hannover gleich zwei Anwesende ihr 25-jähriges Jubiläum: Einmal die gastgebende Straßenzeitung Asphalt und der INSP selbst. Aus 25 Ländern schickten 50 Straßenzeitungen insgesamt 120 Delegierte. In den Workshops wurden Erfahrungen ausgetauscht und engagiert diskutiert. Auch wenn es nationale und regionale Besonderheiten gibt, so sind in allen Ländern diejenigen, die die Zeitungen verkaufen, von Armut und Obdachlosigkeit direkt betroffen oder bedroht. Alle Straßenzeitungen machen das Leben der Verkäufer besser, durch Einnahmen aus dem Verkauf, Vermittlung in medizinische Versorgung und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Festanstellungen für Verkäufer bietet weltweit fast nur die BISS.
HANNELE HUHTALA (HH): Wie ging es mit INSP los?
MEL YOUNG (MY): Damals waren die ersten Straßenzeitungen in Großbritannien erfolgreich, andere Länder folgten dem Beispiel und gründeten ihre eigenen Zeitungen. Daraus entstand die Idee, uns zu treffen und auszutauschen. Außerdem gab es eine sehr erfolgreiche, pro- fit orientierte Straßenzeitung, deren Macher aber ziemlich fragwürdige Gestalten waren. Deshalb entschlossen wir uns, Verhaltensregeln zu entwickeln, damit unsere Leser wissen, wie wir arbeiten und was uns wichtig ist. Es gab also zwei Gründe: ein Netzwerk aufzubauen und unsere Werte zu formulieren und unseren Lesern zu erklären. Die Anfangsjahre waren ziemlich schwierig. Wir waren alle außerordentlich leidenschaftliche Menschen und wir waren uns in vielen Dingen nicht einig. Wir stritten uns manchmal bis aufs Messer. Ein Thema war beispielsweise, ob Werbung im Heft sein sollte oder nicht. Darüber konnten wir bis tief in die Nacht diskutieren. Irgendwann kamen wir dann zu dem Schluss, dass wir eine Organisation sind, in der es viele verschiedene Meinungen und Vorgehensweisen geben kann. Diese Einigung war die Basis von allem.
HH: Was ist das Besondere am INSP?
FAY SELVAN (FS): Das, was wir rund um den Globus tun, ist einzigartig. Die Personengruppe, für die wir arbeiten, ist in einem ständigen Wandel. Diejenigen, die die Ärmsten in einer Gesellschaft sind oder am meisten ausgeschlossen werden, ändern sich beständig. Deshalb sind wir so etwas wie ein gesellschaftliches Barometer. Auch wenn sich die Struktur unserer Klienten ständig ändert, sind wir beständig. Wir bieten jedem die Möglichkeit, eigenes Geld jenseits des geregelten Arbeitsmarktes zu verdienen. Deshalb sind wir so etwas wie ein Sicherheitsnetz für die Ärmsten.
HH: Welches sind die größten Herausforderungen für Straßenzeitungen heute?
FS: Bargeldloses Bezahlen und Auflagenrückgänge in manchen Regionen. Mit zunehmendem Alter lernt man aber, die Dinge besser einzuordnen. Als Videos auf den Markt kamen, prophezeiten alle den Untergang von Kinos. Es gibt sie immer noch, denn sie erfüllen auch eine soziale Aufgabe. Genauso ist es mit Straßenzeitungen. Wir bringen Menschen, die Gutes tun wollen, und Menschen, die Hilfe benötigen, in Kontakt. Dabei ist es keine Beziehung zwischen Bettler und Wohltäter, sondern zwischen Verkäufer und Käufer. Diese soziale Komponente dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Sie ist es, die Straßenzeitungen einzigartig macht. Wir werden uns gegenüber technischen Weiterentwicklungen nicht verschließen können, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es das Zwischenmenschliche ist, das im Mittelpunkt stehen muss.
HH: Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten von Straßenzeitungen, und an manchen Stellen herrscht immer noch Uneinigkeit darüber, welcher Weg der richtige ist. Warum ist es so schwierig, dafür einen Konsens zu finden?
MY: Das ist ganz einfach – wir arbeiten alle in sehr verschiedenen Kulturen und Ländern. Auch wenn es oft schwierig ist zu verstehen, aus welchem Grund im jeweiligen Land so und nicht anders vorgegangen wird, über die Grundwerte sind wir uns einig. Wichtig ist es nur, in der Unterschiedlichkeit auch eine Chance zu sehen und voneinander zu lernen. Solange wir alle das Wohl der Verkäufer im Blick behalten, sind wir als Netzwerk effektiv. HH: Zurzeit gibt es viele politische und gesellschaftliche Veränderungen. Wie beeinflusst das die Straßenzeitungen?
FS: In Großbritannien sind durch den Brexit vor allen Dingen unsere rumänischen Verkäufer betroffen. Sie sind nach England gekommen, um Geld zu verdienen und ein besseres Leben führen zu können. Durch den Brexit sind sie sehr verunsichert. Sollten unsere rumänischen Verkäufer England verlassen müssen, hätte das massive Auswirkungen auf die Straßenzeitungen. Ein anderes drängendes Thema sind die durch den Brexit anwachsende Fremdenfeindlichkeit, der zunehmende Populismus und die Ablehnung, mit der arme Menschen immer mehr konfrontiert werden. Wir haben aktuell einen Prime Minister, der nicht nur Menschen, die anders sind, respektlos behandelt, sondern auch deren Rechte untergräbt. Es ist sogar zu befürchten, dass der Human Rights Act aufgekündigt wird. Laut Statistik hat die Kindersterblichkeit 2019 in Großbritannien zugenommen. Zum ersten Mal seit ungefähr 100 Jahren sterben im ersten Lebensjahr mehr Babys als in den folgenden Lebensjahren. Die Situation verschlechtert sich in England zunehmend.
MY: Ich würde mich Fay gern anschließen. Die politischen Entwicklungen gehen über England hinaus. Es betrifft ganz Europa, wenn nicht die ganze Welt. Wir als Straßenzeitungen müssen uns dagegen auflehnen und kämpfen. Eine rassistische, sexistische Ideologie wie die, die durch den Brexit offenkundig geworden ist und auch von Donald Trump vertreten wird, widerspricht dem, wie wir uns Gesellschaft vorstellen. Wir wissen, was in Deutschland in den 1930ern passiert ist. Obdachlose wurden kriminalisiert. Noch sind Menschen, die diese Position wieder vertreten, in der Minderzahl. Darum ist es jetzt wichtig, aufzustehen und dagegen anzukämpfen. Die Aufgabe der Straßenzeitungen ist es, bei all den Dis- kussionen um Fake News vertrauenswürdigen, investigativen Journalismus zu machen. Die Menschen sind verunsichert, was sie noch glauben sollen, und fallen auf Propaganda herein. Das, was in Straßenzeitungen steht, ist deshalb sehr wichtig. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und für die Pressefreiheit kämpfen.
HH: Schließt das für euch auch ein, Demonstrationen zu organisieren?
MY: Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, Demos zu organisieren. Ich denke vielmehr, dass wir das Mittel des Journalismus nutzen müssen, indem wir uns auf guten, investigativen Journalismus konzentrieren. Momentan gehen bei vielen Straßenzeitungen die Verkaufszahlen zurück. Ich denke, das wird sich wieder ändern, wenn wir uns auf guten, investigativen Journalismus konzentrieren. Es gibt so viele Projekte und positive Entwicklungen, die es wert sind, darüber zu berichten, und dringend Aufmerksamkeit benötigen. Das ist es, was die Menschen lesen wollen.
HH: Mit welchen Herausforderungen sind Straßenzeitung noch konfrontiert?
FS: Ein großer Wandel besteht darin, wie Menschen einkaufen. Menschen kaufen mehr online, deshalb verwaisen frühere Stadtzentren. Verkäufern fehlt dadurch die Laufkundschaft. In England sind Shoppingcenter sehr populär. Die Einkaufszentren sind in Privatbesitz, unsere Verkäufer dürfen dort nicht verkaufen. Für Verkäufer wird es dadurch immer schwieriger, mit ihren Käufern in Kontakt zu kommen. Wir müssen innovativ sein und Wege finden, damit unsere Verkäufer und die Leser wieder zusammenfinden.
MY: Wenn ich sehe, wie sich die jungen Menschen für den Klimaschutz einsetzen, bin ich überzeugt davon, dass nicht alles schlecht und aussichtslos ist. Diese jungen, politisch engagierten Menschen sind die Straßenzeitungskäufer von morgen. Von uns wird es abhängen, weiterhin präsent zu bleiben und neue Verkaufsstrategien zu finden. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, über Armut und Obdachlosigkeit zu schreiben. Die Situation für obdachlose Menschen war vor 10, 15 Jahren schon einmal deutlich besser. Wir müssen darüber schreiben, welche politischen Veränderungen notwendig sind, welche Strukturen geändert werden müssen, um Armut zu bekämpfen. Unser Ziel ist es, uns überflüssig zu machen, aber das wird wohl noch einige Zeit dauern.