BISS-Foto-Award „Zu viel? Zu wenig?“
zum 30-jährigen Jubiläum

Karin Lohr, Foto: Volker Derlath

Ich bin glücklich, dass wir Ihnen in diesem Heft unser Projekt zum 30-jährigen Jubiläum präsentieren können: den BISS-Foto-Award „Zu viel? Zu wenig? – Leben in Armut und Obdachlosigkeit“, bei dem Fotografinnen und Fotografen ausgezeichnet werden, die mit den gestalterischen Mitteln der Fotografie das Thema des Wettbewerbs in herausragender Weise darstellen. Mit diesem Fotowettbewerb sollen Bilder geschaffen werden, die den Blick auf Menschen richten, um die es bei der Arbeit des gemeinnützigen Vereins BISS e.V. seit 1993 geht: Bürgerinnen und Bürger in sozialen Schwierigkeiten, insbesondere diejenigen, die von Wohnungslosigkeit und Armut bedroht oder betroffen sind. Die Arbeiten können von 1. Mai bis 30. Juni 2023 eingereicht werden. Die Auswahl wird eine äußerst kompetente Fachjury treffen, die wir Ihnen, zusammen mit Details des Wettbewerbs, in diesem Heft vorstellen (Seiten 16 bis 23). Und wir haben die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth als Schirmfrau für das Projekt gewonnen. Mit Verlaub, Frau Staatsministerin, das ist das „Sahnehäubchen“ auf dem Ganzen. Die Ergebnisse des Fotowettbewerbs werden natürlich im BISS-Magazin veröffentlicht. Die von der Jury ausgezeichneten Bilder bekommen einen Platz auf dem Cover der BISS-Ausgaben ab Oktober 2023 in Folge. Dotiert ist der Foto-Award mit Geldpreisen in Höhe von insgesamt 12.000 Euro. Prämiert werden drei Fotoarbeiten sowie mit einem Sonderpreis eine weitere für besonders herausragende Leistungen von Fotografinnen und Fotografen unter 25 Jahren. Die Ausschreibung und
Teilnahmebedingungen finden Sie auf unserer Website unter www.biss-magazin.de. Wir sind schon gespannt auf die Einsendungen und wünschen vorab allen Beteiligten viel Erfolg und ein gutes Händchen.
Überhaupt bieten wir Ihnen in diesem Monat wieder ein tolles Heft. Die junge Frau aus Afghanistan, die ihren Weg in Deutschland beschreibt, habe ich persönlich getroffen und war beeindruckt – von ihrem Willen, etwas zu leisten, vor allem aber von ihrer zugewandten Art und davon, wie sehr sie es schätzt, in Deutschland leben zu können, und diese Chance mit allen ihren Kräften wahrnimmt. Sie hat uns BISSlern grünen Tee aus Afghanistan und gemahlenen Kardamom geschenkt. Den trinke ich regelmäßig mit Genuss, sehr zu empfehlen, wenn man ihn auf die Art zubereitet, wie Farkhunda es empfiehlt: Kurz ziehen lassen, dann entfaltet sich das zarte Aroma voll. Uns steht wieder ein ereignisreiches Jahr bevor, warten Sie ab, vielleicht bei einer Tasse Tee, und bleiben Sie uns weiterhin gewogen!


Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin

Energievolle Pläne für 2023

Karin Lohr, Foto: Volker Derlath

Um die hohen Energiekosten geht es auch bei BISS. Die Herausforderung ist, dass zu erwartende Nachzahlungen so sicher sind wie das Amen in der Kirche, es sich aber die wenigsten vorstellen können, dass man bereits für eine vergleichsweise kleine Wohnung mit einer Nachzahlung im höheren dreistelligen Bereich rechnen muss. Es bringt nichts, den Leuten Angst zu machen, denn es soll ja keinesfalls jemand in einer kalten Wohnung sitzen und frieren. Aber wir wollen den Verkäuferinnen und Verkäufern und ihren Familien das Thema näherbringen, Tipps zum Energiesparen geben und überhaupt alle motivieren, das Möglichste zu versuchen, so wenig Energie wie möglich zu verschleudern. Unsere Weihnachtsfeier Ende vergangenen Jahres mit rund 100 Gästen bot eine gute Gelegenheit, unseren internen Energiespar-Wettbewerb mit Prämien und attraktiven Gewinnen vorzustellen. Wir machen es wie andere Firmen auch und gründeten eine Taskforce, für die wir zwei Mitarbeiterinnen oder besser „Energiebotschafterinnen“ benannten, unsere Werkstudentin Rita und Shifo aus Tadschikistan, unsere Bundesfreiwillige. Die beiden werden den BISSlern ab Mitte Januar in kleinen Gruppen erklären, wie sich die Miete für eine Wohnung berechnet, welchen Anteil daran Strom-, Heiz- und Warmwasserkosten haben und wie im Einzelfall der individuelle Verbrauch im Vergleich zu den Durchschnittswerten einzuordnen ist. Darüber hinaus haben wir für Interessierte wassersparende Duschköpfe und Sparperlatoren besorgt, die kann sich jeder, der möchte, kostenlos von einem Fachmann installieren lassen. Zwei Strommessgerät zum Ausleihen haben wir auch angeschafft. Kleine Schritte zwar, aber ein Anfang, der die Betroffenen zum Handeln bewegen soll. Unsere 50 angestellten Verkäufer haben im September 2022 mit dem Gehalt eine Zahlung des Bundes bekommen. Viele von ihnen beziehen keine Sozialleistungen mehr und haben voraussichtlich Anspruch auf eine Einmalzahlung aus dem 20-Millionen-Euro-Wärmefonds, den die Stadtwerke München bereitgestellt haben. Für die Auszahlung an einkommensschwache Haushalte wird es in mehreren Münchner Stadtvierteln Orte geben, an die sich Hilfesuchende persönlich wenden können. Einzelheiten werden in der Tagespresse noch bekannt gegeben. Das Energiesparen wird uns jedoch nicht daran hindern, in diesem Jahr auch ausgiebig zu feiern: unser 30-jähriges Jubiläum nämlich. Und das bietet Anlass für die „BISS-Begegnungen“, bei denen Sie immer freitags von 9.30 bis 10.00 Uhr im BISSBüro mit einem unserer Verkäufer ins Gespräch kommen können. Schauen Sie einfach ohne Anmeldung vorbei, wir freuen uns auf Sie!

Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr mit tollen Plänen, anregenden Begegnungen und natürlich viel Energie!

Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin

Was bleibt…

Karin Lohr, Foto: Volker Derlath

Was mir von diesem Jahr 2022 besonders in Erinnerung bleibt, ist einmal Olga, die an einem heißen Julitag bei uns im Büro stand. Olga war vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet und durch Vermittlung eines russischsprachigen Verkäufers bei uns gelandet. Wieder einmal hat sich unser Haus in Hohenschäftlarn als absoluter Glücksfall erwiesen, denn dort konnten wir Olga unterbringen. Die erforderlichen Behördengänge hat Olga inzwischen bewältigt und Arbeit in einem Hotel gefunden. Sie lernt jetzt Deutsch und antwortet „gut“, wenn man sie fragt, wie es ihr geht: „xорошо“ auf Russisch, ausgesprochen „khorosho“, das haben wir von ihr gelernt. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine liegt wie ein dunkler Schatten über diesem Jahr. Millionen Menschen wurden von heute auf morgen aus ihrer Heimat und ihrem normalen Leben vertrieben und suchen Zuflucht, was für ein großes Leid. Besonders war dieses Jahr auch, weil gleich drei unserer langjährigen Verkäufer verstorben sind: Peter Schratz, Anton Gürtler und Edelfried Fili. Keiner von ihnen ist sehr alt geworden, was auch ihrem früheren Leben auf der Straße geschuldet ist. Mich tröstet, dass es für alle drei Verstorbenen eine würdevolle Bestattung, davon für Peter Schratz und Anton Gürtler im BISSGrab am Ostfriedhof, gab und sie am Ende ihres Lebens keine materielle Not leiden mussten. Sie hatten wieder in ihrer eigenen Wohnung gelebt und als BISS-Verkäufer treue und wohlwollende Stammkunden, denen an ihrem Wohlergehen lag, immerhin! In den persönlichen Begegnungen mit hilfesuchenden Menschen wird man nicht nur daran erinnert, dass es nicht selbstverständlich ist, ein gutes Leben führen zu können. Für die Helfenden ist es auch ein großes Geschenk, jemandem in einer Krise beistehen und seine Not lindern zu können. Mit unserer Arbeit sind wir nicht darauf beschränkt, das zu kommentieren, was andere tun oder lassen, sondern wir können konkret die Welt zum Besseren bewegen.
BISS hat armen Menschen wieder zu bezahlbarem Wohnraum, Möbeln, Medikamenten, Büchern, Haushaltsgeräten, medizinischen Behandlungen, Fahrkarten, Zahnersatz, Lebensmitteln und vielem mehr verholfen. Ich danke allen von Herzen, die dazu beigetragen haben: unserer Leserschaft, den Spendern, Patinnen und Paten, den Ehrenamtlichen, dem Innendienst, der Abtei St. Bonifaz mit dem Pfortenteam. Und vor allem danke ich unseren 100 BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufern, die mutig den Schritt in eine bessere Zukunft wagen. Ihnen allen wünsche ich eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten.

Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin

Hoffnung auf eine Wohnung

Karin Lohr, Foto: Volker Derlath

München ist eine Stadt, in der man sehr komfortabel leben kann, aber nur, wenn man auch das Geld dazu hat. Dann ist es höchst angenehm, in der Innenstadt zu flanieren, in einem der Straßencafés einen Cappuccino zu genießen und in den hübschen Läden zu stöbern. Für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt in der Dienstleistungsbranche wie in der Gastronomie oder im Einzelhandel verdienen, sind die Bedingungen sehr viel härter. Steigende Energie- und Lebenshaltungskosten bedrohen die Zahlungsfähigkeit privater Haushalte mit niedrigen Einkommen, die aufgrund der horrenden Mieten schon vorher kaum über die Runden gekommen sind. Wie hart die Bedingungen für viele sind, ist
schwer vorstellbar und häufig gar nicht sichtbar. Bei BISS gibt es oft Gelegenheit, hinter die Kulissen zu schauen. Neulich waren wir bei unserer Verkäuferin Frau P., die mit ihrer Familie in einem Mehrfamilienhaus in der Münchner Innenstadt untergekommen ist. In diesem Haus ist in allen Wohnungen jedes Zimmer einzeln vermietet, oft an mehrere Personen, die sich Bad und WC teilen. Eine gemeinsame Küche gibt es nicht, manche Bewohner haben sich in ihrem Zimmer eine Kochgelegenheit eingerichtet. Seit drei Jahren wohnt unsere Verkäuferin jetzt dort, mit ihrem Mann, der gemeinsamen kleinen Tochter und der alten Mutter. Die Miete für mittlerweile zwei Zimmer liegt bei über 1.000 Euro. Beide Eltern arbeiten, sie zahlen Steuern und leben sparsam. Das Familieneinkommen wäre hoch genug, dass sie eine Wohnung mit einer „normalen“ Miete bezahlen könnten, wenn es sie denn für sie gäbe. Denn Menschen wie diese Familie sind häufig keine Wunschkandidaten von Vermietern. Da haben die Angestellten großer internationaler Konzerne wie Google oder Apple bessere Karten. Es ist längstens an der Zeit, dass diese Konzerne, die weltweit hohe Gewinne machen, nicht nur Arbeitsplätze nach München verlegen, sondern für ihre Mitarbeiter auch Wohnungen bauen müssen, mit dem in München bewährten Anteil von mindestens 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau. Dafür sollte sich die bayerische CSU-Regierung einsetzen, anstatt Apple ein Grundstück zu verkaufen, das dann für immer für die Allgemeinheit verloren ist. Wir von BISS versuchen, „unserer“ Familie eine Wohnung zu vermitteln. „Jetzt habe ich wieder Hoffnung“, sagte Frau P., die schon viel zu lange ihre unerträgliche Wohnsituation aushalten muss. Das fantastische BISS-Netzwerk lässt Hoffnungen wahr werden, dafür auch Ihnen ein großes Dankeschön!

Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin

Das 9-Euro Sommermärchen

Karin Lohr, Foto: Volker Derlath

An den Sommer 2022 werden sich sehr viele Menschen erinnern, denn es war der Sommer mit dem 9-Euro-Ticket, das, so hat die Bahn mitgeteilt, 52 Millionen Mal verkauft wurde. Ja sicher, die Züge waren sehr voll, fuhren öfter verspätet ab und einige fielen ganz aus. Und so manche Widrigkeiten mussten die Bahnreisenden auch bewältigen. Aber die vielen Begegnungen und die Möglichkeiten zu Gesprächen mit Leuten, die man sonst nie getroffen hätte, die waren doch großartig! Ich denke dabei an die muntere Giesinger Rentnerin und ihren Lebensgefährten im Zug nach Tegernsee, die sich über eine Zeitungsannonce kennengelernt haben (Print wirkt, Anm. der Herausgeberin), an den Pendler in der Regionalbahn Richtung Marktredwitz, der meinte: „Wer jetzt noch Auto fährt, ist selber schuld“, und die Berliner Schaffnerin, die mit einem Niederbayern verheiratet ist und ihre Fahrgäste im Zug nach Nauen so gut gelaunt angesprochen hat. Über Sitze hinweg wurden in den Zügen die Versäumnisse der zuständigen Verkehrsminister der letzten Jahrzehnte diskutiert. Die zukünftige Verkehrspolitik sollte anders aussehen: Wenn sich nur die Hälfte der Ticketkäufer dafür einsetzt, dass die Bahn eine ausreichende Finanzierung, genügend Personal und saubere Bahnhöfe mit funktionierenden Aufzügen und Toiletten bekommt, dann ist das eine starke Lobby. Mich hat begeistert, dass auch Leute mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs waren, die sonst genau nachrechnen, bevor sie Geld für sich ausgeben: Von den BISSlern waren das viele, beispielsweise die beiden Verkäuferinnen, die am liebsten ganz am Schliersee geblieben wären, oder Verkäufer Herr R., der sich dieses Jahr auf unbekanntes Terrain wagte – „Oiso, des Regensburg ist der Hammer“ – und dafür belohnt wurde. Wer meint, Deutschland sei das Land, das man aus einem Dienstwagen auf der Überholspur der Autobahn heraus sieht, das Land, in dem die Raser die Langsamen mit der Lichthupe wegscheuchen, der täuscht sich. Unsere Gesellschaft hat mehr Ähnlichkeit mit einem Regionalzug, in dem viele unterschiedliche Leute sitzen, die einem aber nicht so auf die Nerven gehen, wie man vor der Abfahrt des Zuges befürchtet hat. Im Gegenteil, denn ist man erst einmal mit seinem Gegenüber ins Gespräch gekommen, stellt man in den meisten Fällen fest, dass der auch was zu sagen hat. Mich macht es traurig, dass die bayerische Landesregierung angeblich den vom Bund angebotenen Zuschuss für eine Neuauflage des Tickets nicht einsetzen will. Wie kann das sein, nach so einer Erfolgsgeschichte? Dank des 9-Euro-Tickets waren viele im Land in Bewegung und haben nicht nur räumliche, sondern auch zwischenmenschliche Distanzen überwinden können.


Herzlichst


Karin Lohr, Geschäftsführerin