Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll FELICITAS WILKE; Foto: Martin Fengel
Der Minimalist

„Meine Wohnung ist vielleicht klein, aber ich habe mal gehört, in Tokio geht es noch viel kleiner! Ich wohne seit 2007 in Untermenzing. Die Wohnung, in der ich lebe, misst ungefähr 15 Quadratmeter. Ich habe hier ein Bett, einen Esstisch, zwei Stühle, einen Schrank, meinen Fernseher und eine Küchenzeile – und natürlich Contessa und Carmencita, zwei Kannen, mit denen ich Mokka wie in Italien zubereiten kann. Ursprünglich komme ich aus einem kleinen Ort, 40 Kilometer nördlich von Venedig. Dort bin ich bei meinen Eltern und mit meinen beiden Geschwistern in einem riesigen Haus aufgewachsen, in dem noch zwei andere Familien gelebt haben. In meiner Familie hatten viele den Drang, etwas von der Welt zu sehen. Ich habe Verwandte in Brasilien und Argentinien, mein Vater wiederum hat viele Jahre in Frankreich gearbeitet. Mich zog es als Einzigen von uns allen nach Deutschland. Also bin ich hingegangen, 1975 war das. Den Stempel für meine erste Aufenthaltsgenehmigung bekam ich in Nürtingen in Baden-Württemberg. Danach habe ich in vielen verschiedenen Städten und Wohnungen gelebt. In Detmold, in Hamburg, in Garmisch, zwischendurch auch schon mal in München, zur Zwischenmiete in der Klenzestraße. Meine schönste Wohnung hatte ich in Mainz, mit großen Zimmern. Dort habe ich insgesamt elf Jahre lang gelebt und als Eismacher gearbeitet. Ich habe nie einen Beruf gelernt und in meinem Leben schon viele Dinge gemacht. Als ich in den Neunzigern zurück nach München kam, habe ich als Tagelöhner gearbeitet. Mal habe ich Möbel gepackt, mal Obst sortiert, mal ein paar Wochen am Stück, mal nur für einen Tag. Mir hat das nicht viel ausgemacht, ich war immer flexibel. Aber einen Haken hatten die Gelegenheitsjobs: Man tut sich damit schwer, eine Wohnung zu bekommen. Und so habe ich einige Jahre lang in einer Unterkunft in der Gemeinde der Passionisten in Pasing gewohnt. Dort lebten noch ungefähr zehn andere Menschen, teilweise vom Leben gezeichnet. Manche blieben nur ein paar Tage, manche wie ich jahrelang. Das Zusammenleben dort war manchmal lustig, manchmal schwierig, und in jedem Fall immer wieder überraschend! Seit 2005 verkaufe ich inzwischen die BISS, zwei Jahre später zog ich dann in meine jetzige Wohnung. Es stört mich nicht, dass ich nur ein kleines Bad in der Wohnung habe und zum Duschen ins Erdgeschoss muss. Ich bin froh, die Wohnung überhaupt zu haben, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass ein eigenes Zuhause nicht selbstverständlich ist. Wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, dann weiß ich: Hier kann ich abschalten. Wenn ich zu Hause bin, schaue ich am liebsten fern. Tagsüber und während ich esse, hängt allerdings ein Tuch über meinem Fernseher, weil das sonst nicht schön aussieht. Ich bin eher Minimalist. Zu den wenigen Bildern, die an der Wand hängen, haben mich Freunde und Bekannte fast schon überreden müssen. Ich mag es so klein und schlicht wie möglich und würde meine Wohnung nicht gegen eine große eintauschen wollen.“