Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Der Läufer

Protokoll FELICITAS WILKE

Foto MARTIN FENGEL

„Wenn man mein Wohnhaus betritt, könnte man meinen, man steht in einer Hotellobby aus den Siebzigerjahren. Die Decken sind holzvertäfelt und überall stehen Sofas und Pflanzen. Das DEBA-Hochhaus in Solln war ursprünglich als Hotel für die Olympischen Spiele 1972 gebaut worden. Heute befinden sich Wohnungen darin – darunter auch mein Zuhause, in dem ich seit 1995 lebe. Mein Apartment liegt im 14. Stock. Zur Wohnung gehören ein kleiner Eingangsbereich, ein Bad, ein immer, eine Küche und ein Ostbalkon. Von hier aus im Sommer den Sonnenaufgang zu beobachten, das ist ein Riesenschauspiel! Bei schönem Wetter kann ich bis in die Alpen blicken. Obwohl die Wohnung mit ihren knapp 40 Quadratmetern nicht riesig ist, lebe ich hier nicht allein, sondern mit einem Kumpel. Er schläft in dem Bett, das an der Wand im Wohnzimmer steht, ich auf der breiten Couch. Unser Zusammenleben klappt gut: Obwohl ich fast 86 Jahre alt bin, verkaufe ich weiterhin jeden Tag außer sonntags die BISS und bin tagsüber unterwegs. Er schmeißt den Haushalt, wäscht und kauft ein. Das entlastet mich sehr. Die Wohnung habe ich möbliert übernommen: Der bunt bemalte Bauernschrank im Wohnzimmer gehört genauso wenig mir wie der antike Tisch, auf dem der Fernseher steht. Das ändert aber nichts daran, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Mein Vermieter ist ein bekannter Münchner Wirt. Ich bin für ihn ein angenehmer Mieter, weil ich mich selbst kümmere, wenn mal was kaputtgeht. Er ist für mich umgekehrt auch ein sehr angenehmer Vermieter: In bald 30 Jahren hat er mir kein einziges Mal die Miete erhöht. Früher betrug sie 1.200 D-Mark, heute sind es 600 Euro, die ich mir mit meinem Kumpel teile. Gestiegen sind in all den Jahren nur die Nebenkosten, die inzwischen bei ungefähr 300 Euro liegen. Ein paar persönliche Erinnerungsstücke habe ich dann doch: Die Porzellanfigur und die mit Blumen verzierte Vase auf dem kleinen Tisch im Wohnzimmer gehörten meiner Mutter. Das eingerahmte Foto davor zeigt sie als junge Frau. Meine Mutter lebte bis zu ihrem Tod in der Slowakei. Dort bin auch ich geboren. Ich wuchs als Einzelkind bei meinen Eltern und Großeltern in Bratislava auf. Dort besaßen meine Großeltern ein Zweifamilienhaus mit Garten. Später verließ ich die Heimat auf gefährliche Weise: Ich desertierte, weil mich die ständigen Saufgelage beim Militär und der Druck, in der Partei mitzumachen, anwiderten. Über die DDR floh ich in den Westen. Im Gefängnis Berlin-Plötzensee, wo einst mehrere NS-Widerstandskämpfer hingerichtet wurden, saß ich 14 Tage wegen illegalem Grenzübertritt ein. Später kam ich nach München. Meinen gelernten Beruf als Radiotechniker durfte ich mit meiner Duldung nicht ausüben, also arbeitete ich in Küchen, auf Baustellen und als Gärtner. Und ab 1993 als BISS-Verkäufer. Krank bin ich nie, im Urlaub auch nicht. Davon halte ich nichts, denn mich hält die Arbeit fit. Inzwischen muss ich zwar ein paar Tabletten nehmen, gegen den hohen Blutdruck und gegen Rückenschmerzen. Aber für 86 geht es mir gut. Ich bin weiterhin ein militanter Gegner des Alkohols und lief jahrzehntelang Marathon. Ich laufe den Krankheiten einfach davon.“

Wie ich wohne

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Der Löwe

Protokoll FELICITAS WILKE

Foto MARTIN FENGEL

„Ich bekomme gerade zu spüren, was die gestiegenen Energiepreise bedeuten. In meiner Wohnung habe ich eine Zentralbodenheizung, die nur dann richtig gut funktioniert, wenn man sie hochdreht. Und das ist teuer: Für 2022 steht eine saftige Nachzahlung an, die ich mir nicht leisten kann. Mal sehen, ob mir das Jobcenter helfen kann. In meiner Wohnung zwischen Obersendling und Solln wohne ich seit mittlerweile fast zehn Jahren. Sie liegt im Erdgeschoss eines Neubaus und hat ein Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine kleine Terrasse. Als ich hier eingezogen bin, besaß ich keine Möbel, deshalb sind Esstisch, Bett, Kommode und Schränke bunt zusammengewürfelt. Bevor ich in meine jetzige Wohnung gezogen bin, lebte ich lange Zeit in Wohnheimen, zur Untermiete und für einige Jahre auch auf der Straße. Ich habe schon auf Friedhöfen, in Kellerabteilen und offen stehenden Garagen übernachtet. Seitdem finde ich, dass ein Dach über dem Kopf entscheidend ist für ein menschenwürdiges Leben. Ich bin gebürtiger Münchner und habe bis zur zweiten Klasse bei meinen Eltern gelebt. Doch weil ich als Kind misshandelt worden bin und zudem als schwer erziehbar galt, kam ich in die Heckscher Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort erging es mir sehr schlecht. Später besuchte ich die Heimschule im österreichischen Kleinwalsertal, wo ich mich wohler fühlte und meinen Hauptschulabschluss machte. Später machte ich eine Lehre bei der Post und arbeitete als Bahnpostfahrer. Abwärts ging es für mich, als ich ins Bahnpostamt in der Nähe des Hauptbahnhofs versetzt wurde. Dort war Alkoholismus weit verbreitet und ich wurde selbst zum Alkoholiker. Meine Partnerschaft ging in die Brüche, ich verlor meine Arbeit und meine Wohnung. Über einige Umwege kam ich zur BISS und es gelang mir nach vielen Reha-Aufenthalten und Entgiftungen, mich vom Alkohol loszusagen. Heute kann ich mich wieder für die Dinge begeistern, die mir wichtig sind im Leben. Dazu gehört auch meine Liebe zu 1860 München. Wie das große Banner an der Wand und die Decke auf meinem Bett belegen, halte ich es schon immer mit den Löwen. Ins Stadion gehe ich zwar nur noch selten, weil man nur schwer an bezahlbare Tickets kommt. Aber die dritten Programme übertragen ja viele Spiele der dritten Liga! In meiner Wohnung fühle ich mich wohl, auch wenn nach fast zehn Jahren die ersten Dinge kaputtgehen. Der Backofen gibt so langsam den Geist auf, die Waschmaschine auch. Leider war es schon mal einfacher, das Geld für neue Geräte anzusparen: Die Energiepreise steigen immer weiter und meine Miete wurde dreimal in Folge erhöht, zuletzt auf 565 Euro. Inzwischen benötige ich, obwohl ich arbeite, eine Aufstockung vom Jobcenter. Auch in der Nachbarschaft habe ich mich schon mal wohler gefühlt. Die nette jugoslawische Familie von nebenan ist ausgezogen, stattdessen bekomme ich viele Konflikte im Haus mit, bei denen auch Drogen und Alkohol im Spiel sind. Das ist schade, aber wenn ich meine Tür zumache, dann geht es schon. Man müsste mich aus dieser Wohnung schon raustragen, um mich als Mieter loszuwerden.“

Wie ich wohne

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Der Weitgereiste

Protokoll FELICITAS WILKE

Foto MARTIN FENGEL

„Wenn man als fünfköpfige Familie mit Hund auf 83 Quadratmetern lebt, dann sieht es nie aufgeräumt aus. Allein schon, weil immer irgendwo mehrere Wäscheständer herumstehen. Wer Kinder hat, wäscht einfach ständig. Doch auch wenn es etwas chaotisch zugehen mag in unserer Dreizimmerwohnung in Planegg, dreckig ist es echt nicht. Wir wohnen hier seit mittlerweile zwölf Jahren. So lange habe ich vorher noch nirgendwo gelebt. Ich komme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet und habe die ersten Jahre meines Lebens in einer großen Wohnung in Bergkamen verbracht, wo ich mit meinen Eltern zur Miete wohnte. Ich erinnere mich noch gut an den riesigen Garten. Nachdem sich meine Mutter und mein Vater getrennt hatten, zog ich mit meiner Mutter und meinem Stiefvater nach Hamm. Unsere erste Wohnung dort lag über einer Bäckerei. Was habe ich den Duft geliebt! Um Punkt sechs holte ich unsere Brötchen damals direkt aus der Backstube ab. Nach einiger Zeit ging es wieder in eine andere Wohnung. So viele Umzüge als Kind und Jugendlicher, das war nicht prickelnd – zumal mein Stiefvater und ich oft stritten, Handgreiflichkeiten inklusive. Als ich 19 war, packte ich meine Sachen und ging. Ich fing in Hamburg als Türsteher auf der Reeperbahn an. Mein Chef stellte mir ein Zimmer über der Disco, in dem ich wohnen konnte. Es war eine verrückte Zeit, in der ich Clubbesitzer, Zuhälter und Verbrecher kennenlernte – aber auch meine erste Ehefrau, natürlich in einer Disco! Als unser Sohn geboren wurde, machte ich mich mit Finanzdienstleistungen selbstständig und stieg schnell auf. Ich verdiente gut und war kurz davor, uns ein eigenes Haus zu kaufen. Doch dazu kam es nicht mehr: Meine Ehe scheiterte daran, dass ich teilweise bis drei Uhr nachts arbeitete und im Anzug ins Bett fiel. Danach verzockte ich mein ganzes Geld und landete im Obdachlosenheim. Während dieser Zeit begann ich, die „Hinz&Kunzt“ zu verkaufen, die Straßenzeitung in Hamburg. Nachdem auch meine zweite Ehe gescheitert war, erfüllte ich mir im Jahr 2005 einen Jugendtraum und fuhr drei Monate lang mit dem Fahrrad durch Europa. Ich fuhr bis Spanien und blieb einfach dort, wo es mir gefiel. Unterwegs übernachtete ich im Zelt. Die kleine vergoldete Uhr in Fahrradform, die heute in unserem Wohnzimmer steht, erinnert mich daran. Im Jahr 2006 landete ich, eher zufällig auf der Durchreise, bei der BISS in München. Mit Straßenzeitungen kannte ich mich ja schon aus. Ich lernte meine heutige Frau kennen und gründete mit ihr noch mal eine Familie: Unsere Söhne sind heute 14, 13 und neun Jahre alt. Viele Fotos an unserer Wand zeigen die Jungs. In unserer Wohnung teilen sie sich ein Zimmer, meine Frau schläft im Schlafzimmer und ich – weil ich so laut schnarche – im Wohnzimmer. Mein Traum wäre ein Haus mit Garten, erst recht, seit unser geliebter Hund Alvaro zur Familie gehört. Aber eine Wohnung mit drei Balkonen, wie wir sie haben, ist auch nicht übel! Im Sommer essen wir oft draußen oder hängen die Wäsche dort auf. Und das alles für 960 Euro ohne ständige Mieterhöhungen! Ich hoffe sehr, dass wir hier noch lange bleiben können.“

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Protokoll ANNELIESE WELTHER

Die aus dem Paradies Vertriebene

Foto: Martin Fengel

Seit drei Jahren wohnen wir in diesem nicht gerade großen Zimmer: ich, mein Mann, unsere jetzt sechsjährige Tochter und meine Mutter. Eine Küchenzeile haben wir selbst eingebaut, zuvor gab es hier nur ein Spülbecken. An dem waschen wir uns auch die Hände, denn ein eigenes Badezimmer haben wir nicht. Draußen auf dem Gang teilen wir uns Dusche und WC mit fünf weiteren Parteien. Dummerweise liegen diese beiden sanitären Räume gleich neben unserem Zimmer; sobald die Tür offen steht, kommen unangenehme Gerüche herein. Drinnen haben wir zwei Schlafsofas, einen Tisch mit zwei Stühlen und einen Fernseher. Fürs Wäschewaschen müssen wir in den Waschsalon. Es ist sehr feucht bei uns. An der Decke, unter dem Fenster wie auch hinter dem Bett hat sich bereits Schimmel gebildet. Wir haben Angst, krank davon zu werden, und haben uns ein Spray zum Entfernen besorgt. Unser Vermieter hat bislang nichts unternommen. Für das Zimmer zahlen wir inklusive Nebenkosten 800 Euro im Monat. Mit allen Mitteln versuchen wir, etwas Neues zu finden. Wir hängen Zettel auf und fragen überall nach, ob jemand was für uns hat. Meinen Mann grüßen Bekannte oft gleich mit dem Spruch: „Ich weiß von keiner neuen Wohnung!“ Auch wenn wir unter diesen schlechten Bedingungen leben, gefällt mir München sehr. Das war auch einer der Gründe, warum wir hierhergezogen sind. Zuvor haben wir in einer Zweizimmerwohnung in Frankfurt am Main gelebt, die wir kündigten, genauso wie unsere Jobs, als mein Mann beschloss, mit einem Freund ein Restaurant mit Bar in Fröttmaning zu eröffnen. Eine kleine Wohnung wäre auch dabei gewesen. Das Restaurant lief knapp einen Monat und dann kam Corona. Während des Lockdowns musste es schließen und öffnete nie wieder. Es ging nicht, die Miete nur für die Wohnung zu bezahlen, und der Freund meines Mannes wollte sich nicht mehr an den Kosten beteiligen. So mussten wir raus. Über Bekannte sind wir an dieses Zimmer gelangt. Zuweilen sehne ich mich zurück nach meiner Kindheit in Rumänien. Viel hatten wir nicht: Brot, Öl sowie andere Grundlebensmittel gab es lediglich auf Bezugskarte, Orangen oder Bananen nur an Feiertagen zu kaufen. Aber wir kannten es nicht anders und vermissten daher auch nichts. Meine Mutter backte selbst Brot, im Sommer kochten wir draußen. Mein Opa hielt Schweine und Pferde. Es war herrlich, dort aufzuwachsen mit den zahlreichen Verwandten. Wir Kinder spielten viel zusammen. All das änderte sich mit dem Ende des Sozialismus. Genauso wie viele andere ging ich fort, weil ich glaubte, anderswo ein besseres Leben führen zu können. Fünfzehn Jahre lang war ich in Modena, einer wunderschönen kleinen Stadt in der Emilia-Romagna. Als meine Eltern erkrankten, kehrte ich wieder nach Rumänien zurück. Heute bedauere ich es, weggegangen zu sein, weit entfernt von Vater und Mutter gelebt zu haben. Allerdings sind nur noch wenige Verwandte in meinem Heimatort geblieben, es gibt einfach keine Arbeit. Mein Elternhaus steht aber noch, eine Freundin von uns schaut danach, sodass wir eines Tages vielleicht wieder zurückkehren können.

Wie ich wohne

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Protokoll ANNELIESE WELTHER

Der ewig Umgesiedelte

Foto: Martin Fengel

Ich wohne in einer WG mit zwei anderen BISS-Verkäufern. Unsere Wohnung ist hell, hat ein Bad mit Fenster, eine kleine Küche und einen Raum im Flur, wo wir alle zusammen am Tisch sitzen können, auch mit unseren Gästen. Oft besucht mich mein Sohn, der viel im Ausland unterwegs ist. Er hat mir einen kleinen Eiffelturm mitgebracht, der neben anderen mir lieben Dingen steht, zum Beispiel einem Stier aus Keramik. Denn ich bin im chinesischen Jahr des Stiers geboren, und zwar in der Stadt Iaşi im Nordosten Rumäniens. Das Haus, in dem ich aufwuchs, besaß große Fenster und war sehr geräumig. Die Schwester meiner Mutter und ihre Familie lebten mit uns, ich teilte das Zimmer mit meinem Cousin. Meine Eltern hatten das Haus 1939/40 bauen können, weil mein Vater beim Militär war und ein gutes Einkommen hatte. Das war dann aber auch der Grund, warum wir von dort fortmussten. Im Zweiten Weltkrieg hatte Rumänien zunächst mit Deutschland gemeinsame Sache gemacht, im Sommer 1944 die Fronten gewechselt und anschließend an der Seite der Sowjetunion gekämpft. Stalin veranlasste, dass Rumäniendeutsche und Militärangehörige, wie wir es waren, in die Sowjetunion umgesiedelt wurden. Gerade mal sieben Jahre alt war ich damals. Fortan wohnten wir mit sechs anderen Personen in einem großen Raum innerhalb einer lang gestreckten Holzbaracke in der Nähe von Omsk in Sibirien, über 2000 km von Moskau entfernt. Im Sommer konnte es 35 °C heiß werden, die Winter dagegen waren streng mit bis zu zwei Metern Schnee. In der Schule wurde ich ständig von den russischen Mitschülern verprügelt. Unter den rumänischen und deutschen Kindern, die wie wir dort angesiedelt wurden, hatte ich jedoch Freunde. Mit etlichen habe ich, sofern sie noch leben, immer noch Kontakt. Erst nach dem Tod Stalins durften wir wegziehen, die Sowjetunion aber nicht verlassen. Wir entschieden uns, nach Bessarabien zu gehen, das früher zu Rumänien gehört hatte und heute weitgehend auf dem Gebiet der Republik Moldau liegt. Beruflich folgte ich dem Beispiel meines Vaters und schlug die militärische Laufbahn ein. Ich kam viel rum in der ganzen Sowjetunion, aber auch in Ungarn und in Polen wurde ich stationiert. Dabei hatte ich immer ein Zimmer mit Küche zum Wohnen, auch dann mit meiner Frau. Wir waren 18, als wir uns kennenlernten, und glücklich mit dem, was wir hatten. Später, als mein Sohn vier Jahre alt war, erhielten wir eine Zweizimmerwohnung. 2012 starb meine Frau an einem Herzinfarkt. Ich beschloss, der Armut zu entfliehen und nach Deutschland zu ziehen. Deutschstämmige Freunde von mir, die das schon vor 25 Jahren getan hatten, nahmen mich erst mal in ihrem Reihenhaus in Nürnberg auf. Einer von ihnen half mir, den Job bei BISS zu bekommen. In München teilte ich mir zunächst eine Wohnung mit einem Mann, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte und bei der Fremdenlegion gewesen war. Wir verständigten uns auf Russisch. Kurze Zeit später konnte ich in dieses WG-Zimmer einziehen. Hier fühle ich mich richtig zu Hause.