Inhalt | Gut behütet | Einen Ort zu haben, an dem man sich sicher und gut aufgehoben fühlt, ist sehr viel wert. | 6 Haus zum heiligen Vinzenz von Paul: Mitarbeiten und zupacken | 12Informationsfreiheitsgesetz: Verschleierung auf bayerisch | 14 Palliativversorgung im Pflegeheim: Ehrenamtliche unterstützen | 20 Weiße Ware: Stromspargeräte für Bedürftige | 29Münchner KulT0uren meets Biss in Haidhausen | 5 Wie ich wohne | 24 BISS-Verkäufer*innen erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 26 Patenuhren | 27 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen
Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll HANS ALBRECHT LUSZNAT
Foto: MARTIN FENGEL
„Der Kurzatmige“
Vor vier Jahren bin ich hier in meine Einzimmerwohnung eingezogen. Ich habe einen großen Wohn- und Schlafraum, eine abgetrennte Küchennische und ein Badezimmer und lebe hier allein. Insgesamt sind es ungefähr 29 Quadratmeter. Zuvor habe ich im Hasenbergl in einer Wohnung gelebt, die war ein klein wenig größer, aber im vierten Stock gelegen und es gab keinen Lift. Seit längerer Zeit leide ich an einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung, die bezeichnet man als COPD. Bei körperlicher Anstrengung bekomme ich schwer Luft, vor allem beim Treppensteigen. Da habe ich mit dem Vermieter gesprochen und sie haben mir einen Tausch ermöglicht. Jetzt liegt meine Wohnung im Erdgeschoss. Hier habe ich alles, was ich brauche, eine Sitzgarnitur, einen Esstisch mit Eckbank und Stühlen, mein Bett, ein Sideboard mit Fernseher, die Küche, eine Mikrowelle und das Bad. Die Vormieterin hatte die ganzen Wände voller Bilder. Sie war eine starke Raucherin und man sah, wo Bilder an der Wand gehangen hatten und wie weiß die Wände einst gewesen waren. Bilder sind nicht so mein Ding, da habe ich die Wände lieber weiß ohne diesen Schnickschnack. Ich muss hier noch ein paar Dinge ändern, eine neue Lampe im Wohnraum aufhängen und für das Bad habe ich schon einen Allibert-Spiegelschrank gekauft, den muss ich noch anbringen. Ich verkaufe als freier Verkäufer die BISS am Olympia-Einkaufszentrum unten an der U-Bahn. Von meiner Wohnung bin ich mit dem 60er-Bus schnell da. Der fährt direkt dorthin. Gebürtig komme ich aus Köln, bin dann aber schon als Kind zu meinem Vater nach München gezogen und habe hier in Milbertshofen die Schule bis zum Abschluss gemacht und eine Lehre als Autolackierer begonnen. Damals waren die Arbeitsschutzvorrichtungen noch nicht so gut wie heute. Vielleicht haben sich meine Jahre als Autolackierer auf die spätere Lungenerkrankung ausgewirkt. Später wechselte ich zu einem Umzugsunternehmen. Das war auch kein leichter Beruf, aber er hat mir viel Spaß gemacht. Ich mochte die wechselnden Situationen, die unterschiedlichen Menschen, die immer wieder neuen Gesichter, sehr viele sympathische, manchmal auch zickige. Ich habe eine Lebensgefährtin, bei der ich viel Zeit verbringe, auch weil sie eine größere Wohnung hat. Diese Wohnung hier ist mein Rückzugsraum. Wenn wir in unserer Beziehung mal Krach haben, dann weiß ich, wo ich hingehen kann. In der Corona-Zeit war es manchmal schlimm, wenn man aufeinanderhockt und sich nicht ausweichen kann. Hier habe ich eine schöne Umgebung. Der Lerchenauer See ist nicht weit weg, eine halbe Zigarettenlänge, dann bin ich dort. Im Sommer ist es ein toller Ort, dann setze ich mich auf eine Bank, um einfach zu relaxen. Es gibt dort Schwäne, Enten, manchmal auch Gänse. Baden gehe ich nicht mehr, aber ich sitze gern dort und genieße die Sonne.
Ich bin seit Januar 2025 als BISS-Verkäufer fest angestellt. Die BISS verkaufe ich schon seit März des letzten Jahres in Starnberg und Wolfratshausen. Gebürtig bin ich aus Rumänien, aus der Hauptstadt Bukarest. 1990 bin ich dann als Asylsuchender nach Deutschland gekommen, das war kurz nach dem Sturz von Ceausescu. Ich habe als Lkw-Fahrer gearbeitet und beim Bau und dann später in Berlin eine Straßenzeitung verkauft. Anfang 2024 bin ich nach München gekommen, und weil ich schon in Berlin verkauft habe, habe ich mich hier bei BISS beworben. Mit den Menschen hier habe ich sehr viele gute Erfahrungen gemacht.
Seit dem 1. Januar 2006 können in fast allen Bundesländern Informationen abgerufen werden, die Einblick in Entscheidungen von Behörden geben. Nur Bayern und Niedersachsen wehren sich dagegen.
Von BENJAMIN EMONTS
Jan Renner gehört zur Geschäftsführung von „Mehr Demokratie Bayern“.
Eine illustre Runde traf sich am 22. April 2008 zum Dinner in Angela Merkels Kanzleramt. Merkel hatte rund um den 60. Geburtstag des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann etwa 30 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Kultur an die Tafel geladen, man servierte Spargel und Kalbsrücken. Der Vorgang jedoch stieß auf öffentliche Kritik – Merkel wurde Kumpanei mit der Wirtschaft vorgeworfen, ein Abendessen mit „Geschmäckle“. Das Kanzleramt sollte daraufhin die Gästeliste und andere Details des Abendessens herausgeben. Doch viele Informationen hielt die Behörde zurück. Drei Jahre später kam es zum Showdown am Berliner Verwaltungsgericht.
Thilo Bode, der Gründer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, hatte gegen das Zurückhalten der Informationen geklagt. Er berief sich auf das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz, kurz IFG, das die Große Koalition unter Merkels Führung bereits im Jahr 2006 verabschiedet hatte. An jenem Tag kam das neue Gesetz zum ersten Mal auf die große Bühne – zumindest mit einem Teilerfolg. Das Kanzleramt musste die Gästeliste des Abendessens und sogar die Einkaufsliste herausrücken, sie stehen seither für alle lesbar im Internet. Nur der Terminkalender von Angela Merkel blieb unter Verschluss. Das Informationsfreiheitsgesetz gilt bis heute. Alle Bürgerinnen und Bürger haben demnach einen „voraussetzungslosen Anspruch“, Einblicke in behördliche Akten, Dokumente, Unterlagen und Dateien zu bekommen. Anders als zuvor müssen sie dafür nicht persönlich betroffen sein, es genügen die reine Neugier und ein formloser Antrag in der jeweiligen Behörde, zum Beispiel per E-Mail oder über das bekannte Verbraucherportal „FragDenStaat“.
Mir gefällt an unserer Märzausgabe besonders gut, dass darin zu lesen ist, wie das Leben weitergehen kann, auch wenn nicht alles rosarot ist und die Zeiten stürmisch sind. Da ist kein „Wuiseln“, bairisch für Klagen oder Jammern, zu vernehmen, sondern die Leute packen miteinander an, wie in einer ganz besonderen Wohngemeinschaft (siehe Titelgeschichte) oder indem sie Schwerstkranke am Ende ihres Lebens begleiten. Noch einen Artikel möchte ich Ihnen ans Herz legen: „Bayerische Verschleierungstaktik“ (siehe S. 12–13) über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das seit 1. Januar 2006 allen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Behörden des Bundes Zugang zu amtlichen Informationen verspricht. Die Bundesländer konnten frei entscheiden, ob sie das Gesetz einführen wollen, was bis auf Niedersachsen und Bayern alle getan haben. In dem Artikel erfährt man mehr über die Hintergründe sowie die Aktivitäten bayerischer Kommunen. Wir BISSler haben ja in der Vergangenheit selbst erleben müssen, wie die bayerische Regierung einem kommerziellen Immobilieninvestor im Jahr 2011 den Vorzug vor unserem Projekt „Hotel BISS“ gegeben hat. Viele werden sich erinnern, dass BISS plante, das ehemalige Frauengefängnis am Neudeck zu kaufen und an diesem besonderen Ort ein erstklassiges Ausbildungshotel für benachteiligte Jugendliche zu gründen sowie Mehr-Generationen-Wohnen anzubieten. Ein besseres Angebot zum Wohle aller hat es nicht gegeben. Natürlich haben wir nachgefragt, wer die Immobilie gekauft hat und für welche Summe – erfahren haben wir gar nichts. „Aus Gründen des Käuferschutzes“, wurde uns lapidar vom damaligen bayerischen CSU-Finanzminister, einem Nürnberger, mitgeteilt. Es scheint, als wäre das heute noch genauso üblich. Oder kommt mit einer neuen Regierung endlich ein bundesweites Transparenzgesetz? Wir sind gespannt, ob Abgeordnete aus Bayern dabei bremsen oder das Vorhaben endlich voranbringen. Da ist es gut, dass heute eine ausgesprochen erfreuliche Angelegenheit zum vorläufigen Abschluss gekommen ist. Es hatte sich ein BISS-Leser gemeldet, der eine kleinere Wohnung vermietet. Die hat sich, zusammen mit unserem Sozialarbeiter, ein BISS-Verkäufer mit seiner Frau, beide angestellt mit sicherem Einkommen, angesehen. Es ist eine hübsche Wohnung mit eingebauter Küche in zentraler Lage. Die Miete ist nicht billig, aber bezahlbar, wunderbar. Vorhin haben der Eigentümer und ich für BISS den Mietvertrag unterschrieben. Zunächst befristet für ein Jahr, danach wird der Vertrag direkt zwischen dem Vermieter und den Mietern abgeschlossen. Der Frühling kann kommen!