„Wir sind bei den Patienten zu Hause, wir sind die Gäste“

Von
BERNHARD
HIERGEIST
Menschen mit psychischen Erkrankungen können sich immer öfter auch zu Hause behandeln lassen. Eine Behandlungsform mit Vorteilen, die sich allerdings nicht für jeden eignet.
Man hat sich in der Covid-Pandemie daran gewöhnt, dass vieles zu Hause stattfindet – oder gar alles. Angestellte haben sich im Homeoffice eingerichtet, Schulunterricht und Konferenzen finden teilweise per Videotelefonat statt. Vom Wohnzimmer aus lassen sich Konzerte besuchen. Aber eine psychische Erkrankung in den eigenen vier Wänden behandeln lassen? Das wirkt doch noch ungewöhnlich, auch in diesen Zeiten. „Hometreatment“ lautet ein Schlagwort der jüngeren Vergangenheit, also „Behandlung zu Hause“. „Stationsäquivalente Behandlung“ (StäB) lautet ein anderes. Beides sind Behandlungsformen für Menschen mit psychischen Erkrankungen, jedoch gibt es ein paar feine und doch bedeutende Unterschiede. Und beide sind keine Begleiterscheinungen von Corona, wie man vielleicht vermuten würde. Es gibt sie schon länger, nur verbreitet sich diese Information eher langsam. Denn die psychiatrische Versorgung in Deutschland ist eben sehr kompliziert aufgebaut. Das kbo-Isar-Amper-Klinikum des Bezirks Oberbayern etwa bietet die StäB schon seit 2018 an. Dabei handelt es sich um eine „intensive aufsuchende akutpsychiatrische Behandlung“, wie Chefärztin Eva Ketisch erklärt. Patienten mit psychischen Erkrankungen werden dabei über einen Zeitraum von mehreren Wochen von einem Team aus Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten behandelt – mit den gleichen therapeutischen Mitteln wie in einer Klinik, aber eben in ihrem Zuhause. „Auch wenn das Team täglich zu einem nach Hause kommt, leisten wir keine dauerhafte Betreuung“, sagt Ketisch. Die StäB habe einen akuten Anlass, ein klares Behandlungsziel und sei nach einigen Wochen abgeschlossen wie ein stationärer Aufenthalt.
Fünfzehn Mitarbeitende sind, ausgehend von der Station in der Lindwurmstraße, mit Autos und E-Bikes im Stadtgebiet unterwegs. Als grobe Daumenregel gilt: Die Patienten müssen in etwa 20 bis 30 Minuten erreichbar sein, damit das Team die Arbeitszeit nicht größtenteils im Auto verbringen muss. Knapp 20 Patienten können das StäB-Angebot gleichzeitig in Anspruch nehmen. Auch Corona hat daran nichts geändert: Während der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020 sei die Arbeit etwas heruntergefahren worden, sagt Ketisch. Anschließend ging es mit Sicherheits-und Hygienemaßnahmen weiter wie zuvor.