Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Der übers Meer kam

Foto: Martin Fengel; Protokoll: Felicitas Wilke

„Ich wohne seit zwei Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft in Forstenried. Wenn ich in dem Haus mit meinem Rollstuhl, an der Gemeinschaftsküche, dem Bad und den anderen Räumen vorbei, den Gang entlangfahre, komme ich ganz hinten rechts in meinem Zimmer an. Es ist nicht sehr groß, wahrscheinlich nicht einmal 20 Quadratmeter, aber ich habe es für mich allein und mag es sehr. Ich habe hier eine Heizung, ein Bett, zwei kleine Sofas, ein paar Schränke, einen Kühlschrank und eine Mikrowelle. Und natürlich meinen Fernseher. Darauf schaue ich immer Cartoons auf Deutsch, zum Beispiel „Bugs Bunny“, um die Sprache noch besser zu lernen. Geboren bin ich in Pakistan, aber schon als Dreijähriger mit meiner Familie nach Libyen gezogen. Meine Eltern, meine drei Brüder, meine zwei Schwestern und ich haben dort in einem Haus gelebt. Ich habe schöne Erinnerungen daran, wie ich mit meiner Familie an einem großen Tisch Biryani gegessen habe. Das ist ein pakistanisches Nationalgericht mit Reis und Hühnchen, das niemand so gut macht wie meine Mutter. Nachdem ich zwischenzeitlich wegen des Libyen-Kriegs noch mal in Pakistan gelebt hatte, bin ich vor fünf Jahren über Libyen nach Deutschland geflohen – auf einem viel zu kleinen Boot nach Italien. In meinem Zimmer hängt ein Bild, das einen Mann auf einem Segelboot auf dem Meer zeigt. Es erinnert mich an die schlimmste Erfahrung meines Lebens und gleichzeitig daran, wie schön das Meer auch sein kann. Ich lebe jetzt seit mehr als fünf Jahren in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften in Deutschland. Anfangs habe ich mir mit einem Freund aus Pakistan ein Doppelzimmer geteilt, später habe ich in Einzelzimmern gewohnt. Ich hatte immer viel Glück mit den Unterkünften und den Menschen dort. Obwohl in meinem jetzigen Zuhause viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern leben – Afghanistan, Somalia, Irak und Iran –, haben wir alle ein gutes Miteinander. Unter der Woche kann ich allerdings gar nicht so viel Zeit mit den anderen verbringen. Ich bin nämlich in der glücklichen Lage, inzwischen sogar zwei Jobs in Deutschland zu haben. An zwei bis drei Tagen pro Woche verkaufe ich die BISS in Herrsching, an den anderen Tagen arbeite ich als Goldschmied in Pasing. Das ist der Beruf, den ich in meiner Heimat gelernt habe. Ich bin meinen beiden Arbeitgebern sehr dankbar, dass sie mich trotz meiner Behinderung eingestellt haben, und würde auch anderen Menschen mit Behinderung jemanden wünschen, der an sie und ihre Stärken glaubt. Das ist leider noch keine Selbstverständlichkeit. Mein Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft ist für mich der Ort, an dem ich nach der Arbeit abschalten kann. Mein nächstes Ziel ist eine eigene Wohnung. Das ist die Voraussetzung dafür, dass auch meine Frau nach Deutschland nachkommen kann. Ich träume von einer Zweizimmerwohnung, die höchstens 800 Euro kosten sollte. München ist teuer, aber ich hoffe sehr, dass es irgendwann klappt.“