Der traurigste Tag

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

Von Thabit Gorgies Dinha

Ein neuer Priester kam ins Dorf und ging in die Kirche, um Abendmesse zu halten, aber niemand kam. 15 Minuten später kamen drei Kinder herein, 20 Minuten später noch zwei junge Männer. So beschloss der Priester, mit diesen fünf Menschen die Messe abzuhalten. Nachdem der Gottesdienst schon begonnen hatte, trat ein Pärchen herein und setzte sich. Als der Priester mit seiner Predigt anfing, kam ein weiterer, leicht verschmutzter Mann mit einem zerschnittenen Strick in der Hand herein. Enttäuscht und ohne zu verstehen, warum die Gläubigen sich so eigenartig verhielten, übte der Priester den Dienst dennoch liebevoll aus und predigte mit Begeisterung. Nach Beendigung der Liturgie, der Priester befand sich bereits auf dem Heimweg, wurde er von zwei Dieben angegriffen und geschlagen. Die Tasche, in der er seine Bibel mitsamt anderen Gegenständen aufbewahrte, entrissen sie ihm. Als er zu Hause angekommen war und gerade dabei war, seine Wunden zu versorgen, fasste er den Tag wie folgt zusammen: „Es war der traurigste meines Lebens und mein Dienst ist völlig gescheitert … Aber das macht nichts, ich tue alles in Christus!“ Nach fünf Jahren in diesem Dorf beschloss der Pfarrer, die Erlebnisse jenes Tages mit den Gemeindemitgliedern in der Kirche zu teilen. Als er die Geschichte zu Ende erzählt hatte, hielt ihn ein Ehepaar aus der Gemeinde an und sagte: „Vater, das Paar, das hinten saß: Wir waren es. Wir hatten vor, uns scheiden zu lassen, aber zuerst wollten wir in die Kirche gehen und den Ehering dort lassen, dann sollte jeder von uns seinen eigenen Weg gehen. Aber wir haben die Trennung nach der Teilnahme an der Messe aufgegeben. Wir hörten uns die Predigt an, und nun sind wir hier mit unserer Familie, die wiederhergestellt ist.“ Während das Ehepaar sprach, sagte einer der erfolgreichsten Unternehmer im Ort, der diese Kirche unterstützte: „Vater, ich bin der Mann, der schmutzig mit einem Strick in der Hand zur Messe kam. Ich stand am Rande des Bankrotts, hatte alles verloren. Meine Frau und meine Kinder hatten mich verlassen, weil ich sie geschlagen und beleidigt hatte. An diesem Abend versuchte ich mich umzubringen, aber das Seil riss, also ging ich los, um ein neues zu kaufen. Während ich unterwegs war, sah ich die Kirche geöffnet und ich beschloss, einzutreten, obwohl ich sehr schmutzig war. An diesem Abend durchbohrte deine Predigt mein Herz und ich kam mutig aus der Kirche, um zu leben. Heute geht es mir gut, meine Familie ist zu mir zurückgekehrt und ich habe es zum erfolgreichsten Geschäftsmann im Dorf gebracht.“ Nun rief der Diakon der Kirche: „Vater, ich war einer von den Dieben, die dir deine Tasche gestohlen haben. Der andere starb noch in dieser Nacht, als er einen zweiten Diebstahl beging. Ich aber fand in der Tasche, die ich dir gestohlen hatte, die Bibel, in der ich seitdem jeden Tag lese. Nach einiger Zeit beschloss ich, Gott in dieser Gemeinde zu dienen.“ Der Priester erschauderte, fing an zu weinen und sagte zu den Gläubigen: „Nach all den Jahren erfahre ich, dass dieser Tag, den ich für einen schlechten hielt, ein großartiger und gesegneter war! Und wir wissen, dass alle Dinge zum Wohl derer zusammenwirken, die den Namen Gottes lieben, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Römer 8,28) Wir danken dir, Gott!“