Mein Leben mit Multipler Sklerose

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Jasmin Nejmi

Seit 2005 habe ich Multiple Sklerose. Sie gilt als die Krankheit mit den tausend Gesichtern. Man kann nicht nur nicht voraussagen, wann der nächste Schub kommt. Man weiß auch nicht, welche Körperteile wie schlimm dadurch eingeschränkt sein werden oder welche Auswirkungen es auf das Gehirn oder Rückenmark hat. Von Taubheitsgefühlen über Temperaturveränderungen bis hin zu Sehstörungen und stechenden Schmerzen zwischen den Rippen kann alles Mögliche passieren. Ich könnte die ganzen Probleme, die MS verursachen kann, gar nicht aufzählen, so viele sind es. Ein Jahr lang fiel zum Beispiel mein kompletter Gleichgewichtssinn aus. Ich kam Treppenstufen nur sitzend herunter. Nach oben hielt ich mich am Geländer und der Wand fest, außerdem hielten mich die Stufen auf. Nach unten war die Panik zu groß, die Treppen runterzufallen. Ich konnte keine drei Schritte allein geradeaus gehen und war oft auf fremde Hilfe angewiesen. Einige sehr liebe Schwestern aus meiner Gemeinde haben mir in dieser Zeit geholfen. Sie stützten mich im Alltag und brachten mir Essen vorbei. Ich hätte nicht mal Gemüse schnipseln können in dieser Zeit. Es dauerte mehrere Monate, bis es mir besser ging. In der Reha lernte ich wieder die Dinge, die ich vorher schon konnte, und arbeitete gegen meine Angst an. Vor manchen
Situationen habe ich aber bis heute Angst: Zum Beispiel fahre ich mit Rolltreppen nur nach oben, nicht aber nach unten. Ich habe bis heute Panik davor, dass meine Beine einsacken und ich mich nicht festhalten kann, sollte ich stürzen. Wird der eigene Körper zum Feind, ist es mitunter schwierig, damit zurechtzukommen. Doch ich habe auch neue Wege der Fortbewegung für mich entdeckt. Von einer Stiftung bekam ich ein Fahrrad mit drei Rädern, mit dem ich bis heute unterwegs bin. Von meinem Dreirad erzähle ich aber mal wann anders in einer eigenen Geschichte.