BISS-Ausgabe Juni 2020 | Weitermachen

Cover des BISS-Magazins Juni 2020

Thema | Weitermachen | Krisen verlangen uns viel ab. Umdenken, anpassen und weitermachen ist die Devise vieler Projekte und Firmen | 6 Langzeitfolgen: Das Leben von Sinti und Roma in München | 12 Aus der Not eine Tugend machen: Soziale Projekte in Zeiten von Corona | 16 Die sozialen Strukturen müssen erhalten bleiben Interview mit Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Oberbayern | 18 PhönixPreis: Die Stadt zeichnet herausragende Unternehmer*innen mit Migrationshintergrund aus | 22 Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Eine Studie gibt Aufschluss | Schreibwerkstatt | 5 Was uns verbindet | 26 Aufgelesen: BISS-Verkäufer erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 26 Patenuhren | 28 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen

Aus der Not eine Tugend machen

Wie viele Betriebe und Selbstständige sind auch die meisten sozialen Dienstleister und Einrichtungen vom Corona- Shutdown betroffen. Sie leisten wichtige soziale Arbeit und fangen benachteiligte Menschen in ihrem Alltag auf. Das Spektrum reicht von Werkstätten für Menschen mit Behinderung bis hin zu Betrieben der Arbeitsförderung und zu Anbietern von Sprachkursen. Sie alle sind infolge der Coronavirus-Pandemie von schwerwiegenden finanziellen Einbußen bis hin zur Insolvenz bedroht

Von GABRIELE WINTER

Illustrationen AISHA FRANZ

Die Lage ist bitter“, meint Anneliese Durst vom Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) der Stadt München. Während das ganze Land von Hilfen für die Wirtschaft spricht, geraten die Sozialen Betriebe und die Menschen, die darin arbeiten, in Vergessenheit. Letzteren fehlt die Struktur der täglichen Arbeit, während die Betriebe ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Karin Majewski, die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern, sieht die größten Schwierigkeiten bei den Inklusionsfirmen. Sie können keine Mittel durch das neue Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) bekommen, weil fast alle Beschäftigten mit Behinderung zu Hause bleiben müssen. Vorerst können nur noch diejenigen Betriebe richtig weiterarbeiten, die eine Sondergenehmigung haben, weil sie systemrelevante Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel die Nähwerkstatt des Netzwerks Geburt und Familie. Dort wurde die Produktion auf Mundschutze umgestellt.

Stoffmasken aus der Nähwerkstatt

Andrea Hubbuch, Geschäftsführerin des Netzwerks Geburt und Familie (NGUF), hat deshalb keine allzu großen finanziellen Einbußen zu verbuchen: „Es werden wohl nur ein paar Tausend Euro sein.“ Zwar musste das Café Netzwerk schließen, aber einzelne Mitarbeiterinnen, die keiner gesundheitlichen Risikogruppe angehören, können zur Arbeit kommen. Sie kümmern sich um Bestellungen für bestimmte Anlässe und haben an Ostern Eier gefärbt oder Osterlämmer gebacken. Allerdings wurden die meisten Warenbestellungen gecancelt, um die Kosten niedrig zu halten. In der Nähwerkstatt arbeiten im Moment acht von 20 Mitarbeiterinnen auf Hochtouren. Sie stellen ausschließlich Stoffmasken her. Nadja Meatchi ist eine von ihnen. „Mein Leben ist gerade sehr anstrengend“, seufzt sie. Ihre drei Kinder im Alter von 9, 14 und 17 Jahren können nicht zur Schule und wollen versorgt und beschäftigt werden. Das ist nicht einfach, vor allem, weil Nadja Meatchi nicht mal eine richtige Wohnung hat, sondern mit ihrer Familie in einer Pension lebt. Sie stammt aus Togo und hat ihren Mann vor drei Jahren verloren. Seitdem versucht sie alles allein zu meistern: eine Wohnung finden, beruflich auf die Beine kommen und die Kinder bestmöglich unterstützen.

Weiterlesen „Aus der Not eine Tugend machen“

Coronavirus und die Folgen

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Ludwig Gassner

Als ich am 17. März 20 Zeitungen holen wollte und mir BISS mitgeteilt hat, dass die Abgabe eingestellt worden ist, war ich erst mal geschockt. Seit der Ausgangsbeschränkung sollen wir ja alle zu Hause bleiben, niemandem mehr näher als 1,5 Meter kommen und viel ist durch Plexiglas abgeschirmt. Ich hatte mehrere Tage kein Klopapier und keine Nudeln und Reis, weil alles ausverkauft war! Den Abbruch sämtlicher sozialer Kontakte finde ich einen Einschnitt in unsere Bewegungsfreiheit. Die Regierung und unser Gesundheitssystem waren auf diese Krise kaum vorbereitet. Leider gibt es viele miese Geschäftemacher, die die Krise nutzen, um sich zu bereichern. Die Preise für Gesichtsmasken und Desinfektionsmittel haben sich verzehnfacht! Leider bieten auch viele kleine Händler und Privatpersonen Wundermittel an, die schützen und das Immunsystem verbessern sollen. Das ist für mich verachtungswürdig, denn sie wollen aus der Angst und Panik der Menschen Kapital schlagen. Ich fürchte, dass die Wirtschaft nach der Corona-Krise am Boden sein wird, viele Insolvenzen und vielleicht eine Schuldenkrise kommen. Selbst Rettungspakete und ein Notstandsprogramm der EZB können uns dann vielleicht nicht mehr retten. Ich befürchte, dass die Steuertöpfe sehr schnell leer sein werden und ich Einschnitte in meine Rente bekomme. Deshalb unterstütze ich auch das BGE (bedingungsloses Grundeinkommen) von 1.200 Euro monatlich. Das würde viele in der Krise vor der kompletten Armut retten. Gerade in armen Ländern wird es besonders hart werden für die, die keine Rücklagen und Rettungspakete haben. Auf den Philippinen, wo meine Frau lebt, gibt es strenge Ausgehverbote und nur noch eine Person pro Haushalt darf zum Beispiel raus zum Einkaufen oder auf die Bank. Nachdem es gerade sehr viele Informationen über Facebook und in den sozialen Medien gibt, ist es sehr schwer, einzuschätzen, was richtig ist und was Fake News sind. Jeder bildet sich da seine eigene Meinung. Ich fürchte, je länger die Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten wird, desto schlimmer werden die Probleme nach der Corona-Krise sein. Deshalb hoffe ich, dass wir bald wieder zur Normalität zurückkehren können und einen Finanzcrash verhindern. Es wird nichts mehr so sein wie vor der Covid-19-Pandemie. Ich hoffe, dass es nicht zu schlimm wird und arme Länder Rettung bekommen. Ich wünsche allen Menschen und Kunden das Allerbeste. Und bleibt gesund!

BISS-Ausgabe Mai 2020 | Nimm zwei!

Cover des BISS-Magazins Mai 2020

Thema | Friedliche Orte | Den einen gibt die Nacht ein Gefühl von Ruhe  und Frieden, andere finden in einer Tagesstätte einen Ort, an dem sie spielen, basteln und ausruhen können| 6 Obdachlose EU-Bürger: Nachts schlafen sie in der Bayernkaserne, tagsüber finden sie bei FamAra einen sicheren Ort | 1O Heaven Shall Burn: Eine Metalband engagiert sich für Umweltschutz und gegen rechte Gewalt| 14 Nachtarbeiter: Ihr Arbeitstag beginnt, wenn andere schlafen gehen | 22 Der Mensch dahinter: Gedanken zu den Wohnungen der BISS-Verkäufer, fotografiert von Rainer Viertlböck | Schreibwerkstatt | 5 Was uns verbindet | 26 Aufgelesen: BISS-Verkäufer erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 26 Patenuhren | 28 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen

Mein Hobby Tischtennis

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Ercan Uzun

Ich habe schon damals in Solln in meiner Jugend leidenschaftlich gern Ping­ Pong gespielt. Damit verknüpfe ich auch meine erste Liebe, mit Gaby F. So glücklich, wie ich damals mit 17 mit ihr war, so gut spielte ich auch. Mich beruhigte dieses Tick­Tack des Balles immer wieder. Auch in der Psychiatrie spielte ich später immer wieder gerne Tischtennis. Gelernt habe ich das Spielen damals im Asam­-Gymnasium. Meine Stärke ist die Defensive. Ich kann so manche Schmetterer abfangen und bringe die Gegner zur Resignation. Aber Kontern ist nicht mein Ding. Mein Aufschlag ist je nach körperlicher Verfassung mal langsam und mit Effet, mal schnell und flach. Mein Bruder war häufig mein Trainingspartner. Ich nannte ihn „Häuptling“, weil er im Gegensatz zu mir keine psychischen Probleme hatte, zumindest wirkte er so. Er hat Radio-­ und Fernsehtechniker gelernt und ist mir in Notlagen immer zur Seite gestanden. Er bevorzugt das Offensivspiel, und so kam es in der Vergangenheit immer wieder zu interessanten Begegnungen am Tisch. Bei einem meiner Psychiatrieaufenthalte gewann ich sogar eine Urkunde von Dr. von Gudden, der mir als einer der wenigen sympathischen Ärzte in Erinnerung blieb. Ich wünsche mir, mein altes Hobby wieder aufleben zu lassen. Denn es macht körperlich nicht so kaputt wie Fußball. Viele schöne Erinnerungen verbinde ich mit diesem englischen Ballspiel. Meine erste Liebe, meinen ersten Schulabschluss und viele Grillsonntage am Ostpark. Ich hoffe, ich kann bald mal eine Partie auf den Platten beim Park am Sendlinger Tor im Klinikviertel spielen, wo meine Mutter mich als kleines Kind schon im Kinderwagen spazieren fuhr.