Wie viele Betriebe und Selbstständige sind auch die meisten sozialen Dienstleister und Einrichtungen vom Corona- Shutdown betroffen. Sie leisten wichtige soziale Arbeit und fangen benachteiligte Menschen in ihrem Alltag auf. Das Spektrum reicht von Werkstätten für Menschen mit Behinderung bis hin zu Betrieben der Arbeitsförderung und zu Anbietern von Sprachkursen. Sie alle sind infolge der Coronavirus-Pandemie von schwerwiegenden finanziellen Einbußen bis hin zur Insolvenz bedroht
Von GABRIELE WINTER
Illustrationen AISHA FRANZ
Die Lage ist bitter“, meint Anneliese Durst vom Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) der Stadt München. Während das ganze Land von Hilfen für die Wirtschaft spricht, geraten die Sozialen Betriebe und die Menschen, die darin arbeiten, in Vergessenheit. Letzteren fehlt die Struktur der täglichen Arbeit, während die Betriebe ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Karin Majewski, die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern, sieht die größten Schwierigkeiten bei den Inklusionsfirmen. Sie können keine Mittel durch das neue Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) bekommen, weil fast alle Beschäftigten mit Behinderung zu Hause bleiben müssen. Vorerst können nur noch diejenigen Betriebe richtig weiterarbeiten, die eine Sondergenehmigung haben, weil sie systemrelevante Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel die Nähwerkstatt des Netzwerks Geburt und Familie. Dort wurde die Produktion auf Mundschutze umgestellt.
Stoffmasken aus der Nähwerkstatt
Andrea Hubbuch, Geschäftsführerin des Netzwerks Geburt und Familie (NGUF), hat deshalb keine allzu großen finanziellen Einbußen zu verbuchen: „Es werden wohl nur ein paar Tausend Euro sein.“ Zwar musste das Café Netzwerk schließen, aber einzelne Mitarbeiterinnen, die keiner gesundheitlichen Risikogruppe angehören, können zur Arbeit kommen. Sie kümmern sich um Bestellungen für bestimmte Anlässe und haben an Ostern Eier gefärbt oder Osterlämmer gebacken. Allerdings wurden die meisten Warenbestellungen gecancelt, um die Kosten niedrig zu halten. In der Nähwerkstatt arbeiten im Moment acht von 20 Mitarbeiterinnen auf Hochtouren. Sie stellen ausschließlich Stoffmasken her. Nadja Meatchi ist eine von ihnen. „Mein Leben ist gerade sehr anstrengend“, seufzt sie. Ihre drei Kinder im Alter von 9, 14 und 17 Jahren können nicht zur Schule und wollen versorgt und beschäftigt werden. Das ist nicht einfach, vor allem, weil Nadja Meatchi nicht mal eine richtige Wohnung hat, sondern mit ihrer Familie in einer Pension lebt. Sie stammt aus Togo und hat ihren Mann vor drei Jahren verloren. Seitdem versucht sie alles allein zu meistern: eine Wohnung finden, beruflich auf die Beine kommen und die Kinder bestmöglich unterstützen.
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