BISS-Ausgabe Februar 2019 | Pflegeleicht?

Cover des BISS-Magazins Februar 2019

Thema | Wohin? | Wo sollen alte oder kranke Menschen am besten betreut werden? Zuhause? Im Heim? Und wohin mit den Sachen, wenn jemand stirbt oder ins Pflegeheim kommt?  Zum Wegwerfen sind sie zu schade, oft sind sie mit wertvollen Erinnerungen verbunden. | 6 Pflegeleicht: Über die Arbeitsbedingungen privater Pflegekräfte | 10 Umstritten: Das BayPsychKHG Gesetz zur Unterbringung psychisch Kranker | 14 Mietwahnsinn: Münchner berichten von ihrer Wohnungssuche | 20 Wohnungsauflösung: Wohin mit den Sachen, wenn eine Wohnung aufgelöst werden muss? | Schreibwerkstatt | 5 Was uns verbindet | 24 Aufgelesen: BISS-Verkäufer erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 26 Patenuhren | 27 Freunde und Gönner | 30 Impressum & Mein Projekt | 31 Adressen

Mein neues, normales Leben

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Solomon Vantu
Seit 2007 bin ich in Deutschland, davor habe ich in meiner Heimat Rumänien seit meinem 14. Lebensjahr gearbeitet, unter anderem als Hirte. Zur BISS bin ich über einen anderen Verkäufer gekommen. Damals ging es mir wirklich nicht gut, ich lebte zu der Zeit auf der Straße und sammelte Pfandflaschen. Da habe ich eben den BISS-Verkäufer kennengelernt. Er riet mir damals, zu Herrn Denninger in die Metzstraße zu gehen, und sagte: Der kann dir helfen. An meinen ersten Tag kann ich mich noch erinnern, es hat geregnet, Uwe hat mir einen Ausweis gemacht, hat mir zehn Hefte gegeben und mir meinen Platz gezeigt. Der Platz war genau am Rathaus, da kommen nur Touristen hin. Die haben immer Fotos gemacht und vermutlich war ich echt oft mit der Zeitung in der Hand auf ihren Bildern. Ich dachte damals: Hier kommt kein Münchner her. Dann habe ich mir was anderes überlegt: dass ich lieber rumlaufe. Schließlich habe ich den Goetheplatz entdeckt, das war wie ein neues Leben. Da bin ich seit etwa zwei Jahren. Jeden Tag stehe ich da morgens von 7 bis 11 Uhr und von 18 bis 20 Uhr am Abend. Dazwischen gehe ich durch die Stadt, nur mittags mache ich Pause. Seit ich bei BISS bin, habe ich so viele Menschen kennengelernt. Nette Menschen, nur nette Menschen – ich habe in München nur Freunde. Ich habe viele Stammkunden. Ich stehe in der Nähe einer Rechtsanwaltskanzlei und eines Gebäudes, wo Steuerberater arbeiten, die kommen alle bei mir vorbei auf dem Weg zur Arbeit. Wenn ich drei Tage nicht da bin, fragen die: Wo warst du, was ist passiert, warst du krank? Wenn ich auf der Straße rumlaufe, ruft oft jemand: Solomon! Mich kennen mehr Leute als den Bürgermeister. Früher habe ich in einem Haus gewohnt, das eigentlich mal der Deutschen Bahn gehört hat und leer stand. Ich war da mit anderen, allein hätte ich Angst gehabt, es hatte schließlich keine Fenster und keine Türen. Auf der Straße hatte ich eine Matratze gefunden und mir eine Art Zimmer eingerichtet. Mittlerweile habe ich aber eine richtige Wohnung, die habe ich auch über die BISS gefunden. Sie ist in Sendling und ich brauche nur zehn Minuten an die Isar. Endlich habe ich ein ganz normales Leben. Heute bin ich glücklich, weil ich sagen kann: Ich bin BISS-Verkäufer. München ist meine neue Heimat, meine neue Familie.

BISS-Ausgabe Januar 2019 | Menschen und Projekte

Cover des BISS-Magazins Januar 2019

Thema | Menschen und Projekte |  Eine Stadt wird durch die Menschen, die sich engagieren und andere unterstützen, erst lebenswert | 6 buntkicktgut: Fußball und noch viel mehr | 1O Kontaktbeamter am Bahnhof: Welten treffen aufeinander,  einer vermittelt| 16 Wohnungsnot: Thomas Specht über die Ursachen und was getan werden muss | 20 Zehn Jahre Stiftung BISS: Wir blicken zurück und schauen nach vorn | Schreibwerkstatt | 5 Was uns verbindet | 26 Aufgelesen: BISS-Verkäufer erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 28 Patenuhren | 29 Freunde und Gönner | 30 Impressum & unsere Kooperationspartner | 31 Adressen
 
 
 
 

10 Jahre Stiftung BISS – Ein Blick hinter die Kulissen


Stiftung BISS und Verein BISS arbeiten eng zusammen. Bei der jährlichen gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Stiftungsrat sind als geladene Gäste regelmäßig BISS-Geschäftsführerin Karin Lohr (rechts außen) und BISS-Sozialarbeiter Johannes Denninger (links außen) mit dabei, abstimmen aber dürfen nur die Gremienmitglieder der Stiftung
Von Hildegard Denninger
Die Stiftung BISS wurde im November 2008 vom Verein BISS – Bürger in sozialen Schwierigkeiten e. V. gegründet. Beide Organisationen sind vom Finanzamt als gemeinnützig und mildtätig anerkannt. Das Grundstockvermögen der Stiftung in Höhe von 100.000,00 Euro spendete eine Förderin der Straßenzeitschrift BISS. Die Stiftung sollte die Trägerschaft von Hotel BISS übernehmen, einem Sozialunternehmen zur Ausbildung sozial benachteiligter junger Menschen, und trat 2011 beim Bieterverfahren um das Alte Gefängnis Am Neudeck als Bieter auf. In den Gründungsvorstand der Stiftung wurden damals Giovanna Runggaldier und ich berufen. Den ersten Stiftungsrat bildeten Joachim Braun, Bert Kühnöhl sowie Richard Matzinger. Alle sind heute noch in Amt und Würden.
DER VORSTAND
Der Stiftungsvorstand hat für die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks zu sorgen. Giovanna Runggaldier als stellvertretende Vorsitzende und ich als 1. Vorsitzende sind gemeinsam zur Vertretung der Stiftung berechtigt. Als Gründungsvorstand können wir – sofern wir das möchten – lebenslang in dieser Funktion wirken.

Hildegard Denninger, Vorsitzende

Hildegard Denninger: Über mich brauche ich nicht viel zu erzählen, ich bin eine Gast- und Landwirtstochter, Steuergehilfin und Bilanzbuchhalterin, die Leserinnen und Leser kennen mich noch aus der Zeit als Geschäftsführerin von BISS (1994–2013). Bei der Stiftung bin ich zuständig für das Tagesgeschäft, die Buchhaltung, die Finanzen, die Förderanträge und die Wohnungen, außerdem bereite ich die Sitzungen vor und nach. Noch ist der Aufwand überschaubar. Die Stiftungsgeschäfte erledige ich teilweise in den 16 Stunden, die ich beim Verein BISS angestellt bin. Dabei hilft mir die Verwaltung von BISS, sodass die Stiftung keinerlei Personal- und Betriebskosten hat. Zusätzlich arbeite ich ehrenamtlich für die Stiftung,

Giovanna Rungaldier

so wie die anderen Gremienmitglieder auch. Mein Mann kennt Giovanna Runggaldier seit 1979, als sie Geschäftsführerin des Vereins „IG-Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher, München“ war und er als Sozialarbeiter ausländische Jugendliche in Stadelheim betreute. Giovanna war prädestiniert dafür, im zukünftigen Hotel BISS unsere Lehrlinge zu unterstützen und sich um unsere ausländischen, noblen Gäste zu kümmern. Sie ist Soziologin, bei der IG war sie als Geschäftsführerin auch für die Ausarbeitung von didaktischem und Arbeitsmaterial für die Hausaufgabenhilfe und die Sprachförderung ausländischer Kinder zuständig. Sie war zehn Jahre lang Übersetzerin und Dolmetscherin in der Deutschen und der Österreichischen Botschaft in Rom und ist seit vielen Jahren Dozentin am SDI (Sprachen- und Dolmetscherinstitut)/Hochschule für angewandte Sprachen in München. Giovanna ist offen, warmherzig und klug und macht stets „bella figura“. Über ihre Vorstandstätigkeit hinaus führt sie seit Jahren den wöchentlichen Sprachkurs für BISS-Verkäufer durch.
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Der Friseur und Facebook

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
Von Pietro Dorigo
Ich bin seit einigen Jahren bei Facebook und ich bin fasziniert, wie leicht es ist, virtuelle Freundschaften zu schließen. Früher, als es noch kein Facebook gab, schloss man die an echten Orten. Ich bin groß geworden in einer Gemeinde mit 8.000 Leuten in Italien, dort gab es zwei Friseure, einer war für ältere Menschen, der andere, Renato, war für die jungen. Man hat sich da nicht nur zum Haareschneiden getroffen, der Salon war auch ein Treffpunkt: Samstagnachmittag sah man sich bei Renato. Man redete darüber, wie die Woche war, was es für Neuigkeiten gibt, Klatsch und Tratsch. Wenn jemand verreist war, wussten wir das alle, dank Renato. Wenn einer in Deutschland war, zum Beispiel, um in einer Eisdiele zu arbeiten, dann wussten wir über Renato, wie es ihm ging. Wenn ich wieder für einige Zeit in Deutschland war, wussten das alle, und als ich nach vier oder fünf Jahren wieder zurück war, war ich bei Renato und allen anderen nur noch „Il Tedesco“, der Deutsche. Es gab auch eine Wand im Salon von Renato, vier Meter breit, drei Meter hoch, an der Postkarten hingen, Fotos, Heiratsanzeigen und so weiter. Man konnte erkennen, wer wichtig war, wer Erfolg hatte und wie es den Leuten geht. Heute sucht man Kontakte über Facebook. Ich glaube, dass Renatos Salon direkter war, und es waren auch Leute dort, die man nicht mochte. Wenn einem bei Facebook irgendwas oder irgendwer nicht passt, kann man ihn einfach wegklicken. Ich könnte mit den Leuten von damals heute auch bei Facebook befreundet sein, aber das will ich nicht, ich will sie lieber so in Erinnerung behalten, wie ich sie bei Renato kennengelernt habe. Sein Salon hatte übrigens noch einen großen Vorteil gegenüber Facebook: Man konnte sich bei Renato auch die Haare schneiden lassen.