Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Protokoll: FELICITAS WILKE, Foto: Martin Fengel

Die Königin in ihrem Reich

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„Unsere neue Wohnung ist ein richtiger Traum. Vor etwa einem Jahr bin ich mit meinen Eltern hier eingezogen. Für uns war es das Beste, was uns seit Langem passiert ist. Die Wohnung ist etwa 55 Quadratmeter groß. Sie gehört der Stiftung BISS und kostet circa 680 Euro im Monat. Wir haben zwei Zimmer, eine Küche, einen Kühlschrank, ein Bad und sogar eine Waschmaschine! Im Haus wohnen viele Ausländer, vor allem aus Serbien, Russland, Polen und Rumänien. Sie sind total nett und grüßen uns manchmal auf Bulgarisch, das finde ich sehr lustig. Wir kommen aus Bulgarien und haben früher in einem kleinen Häuschen gewohnt: meine Eltern, meine drei Schwestern und ich. Meine große Schwester war die Erste aus unserer Kleinstadt, die es nach Deutschland geschafft hat. Das war 2007, als Bulgarien in die EU gekommen ist. Kurz darauf bin auch ich nachgezogen, allerdings erst mal nur für kurze Zeit. Ich war ein paar Monate hier in München und habe irgendetwas gejobbt, dann ein paar Monate in Bulgarien. Irgendwann bin ich endgültig nach Deutschland gezogen und habe mir mit meiner Schwester ein Zimmer geteilt. Nach einem Jahr habe ich eine Einzimmerwohnung gefunden und unsere Eltern aus Bulgarien zu mir geholt. Sie sind schon
älter, deswegen muss ich mich um sie kümmern. Zehn Jahre lang haben wir in einem Zimmer gewohnt, haben jeden Tag im selben Raum verbracht. Es war viel zu eng und deshalb haben wir uns oft gestritten. Vor vier Jahren habe ich angefangen, bei BISS zu arbeiten. Mir war damals nicht klar, wie sich mein Leben dadurch verändern würde. Ohne diesen Job würde ich wahrscheinlich immer noch mit meinen Eltern in der Einzimmerwohnung sitzen und wir würden uns auf die Nerven gehen. Als Herr Denninger mir irgendwann diese Wohnung angeboten hat, dachte ich erst, er macht einen Witz. Ich konnte es nicht glauben.
Jetzt haben wir alle endlich unsere Privatsphäre: Meine Eltern haben ein Zimmer mit einem großen Bett, einem Esstisch, drei Stühlen und einem Fernseher, auf dem wir sogar Filme aus dem Internet schauen können. Ich habe mein eigenes Zimmer mit einem Bett und einer Kommode, auf der ein Ventilator steht. Die Möbel durften wir uns selbst aussuchen und haben von der BISS finanzielle Unterstützung für die Einrichtung bekommen. Fast jeden Tag verkaufe ich am Marienplatz Zeitschriften. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, lege ich mich am liebsten ins Bett und schaue deutsches Fernsehen, um die Sprache zu lernen. Ich mache die Tür zu und habe meine Ruhe, das ist so wunderbar.
Jetzt fühle ich mich viel freier als in den vergangenen Jahren. Mit meinen Eltern streite ich nicht mehr so viel. Auch das Viertel ist sehr entspannt und wir haben alles in der Nähe, was wir brauchen. Alles, was hier steht, haben wir uns in Deutschland gekauft. Die einzige Erinnerung an Bulgarien ist in meiner Kommode. Es ist ein Album mit Fotos von früher, auf denen wir Hochzeiten feiern. Da ist die ganze Familie drin: meine Schwestern, meine Neffen und Nichten. Ich habe tolle Kleider an und bin noch sehr jung. Dieses Album schaue ich mir sehr gern an.“