Thema | Spontan helfen| Der Krieg in der Ukraine hat wieder gezeigt: Viele Menschen sind bereit, schnell und unbürokratisch zu helfen. Damit das funktioniert, sind Strukturen unerlässlich |6Münchner Freiwillige: Wenn Menschen spontan helfen | 12 Demenz-Tagespflege: Den Tag geschützt gestalten | 16 Helma Sick im Interview: Ein Mann ist keine Altersvorsorge | 20 Schülersprecher*innen Schülervertretungen an Mittelschulen| 5 Wie ich wohne | 26 BISS-Verkäufer*innen erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 25 Patenuhren | 28 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen
Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll ANNELIESE WELTHER
Der Gesundheitsbewusste
Foto: Martin Fengel
Ich habe eine Regel: Schließt man die Haustür hinter sich, bleibt aller Ärger und Stress draußen. Die Wohnung soll ein Ort der Freude sein, an dem man mit der Familie zusammen ist und sich wohlfühlt. Darum versuche ich auch, jeder Unstimmigkeit mit meinen beiden Mitbewohnern aus dem Weg zu gehen. Wenn man in mein WG-Zimmer hineinschaut, fällt einem gleich mein Heimtrainer auf. Jeden Tag radle ich darauf zehn Minuten lang. Zudem besitze ich noch eine Vibrationsplatte, auf der ich ebenfalls regelmäßig trainiere. Das brauche ich, damit meine Knie nicht schmerzen. Zusätzlich nehme ich Magnesium und andere sinnvolle Präparate zu mir, um meine Gelenke fit zu halten. Öffnet man unseren Kühlschrank, wird man feststellen, dass wir uns alle drei gesund ernähren. Unsere kleine gemeinsame Küche wird täglich zum Kochen genutzt. Meine Mitbewohner und ich sprechen uns ab, und es bereitet, je nachdem wer als Erster nach Hause kommt, mal der eine, mal der andere typisch rumänische Gerichte zu. So versuche ich mich fit zu halten. Nachdem ich jedoch viele Stunden im Stehen gearbeitet habe, dusche ich gleich, wenn ich nach Hause komme, und bin froh, mich erst mal aufs Bett legen zu können. Natürlich könnte ich zur Arbeit einen Stuhl mitnehmen, aber es fühlt sich für mich nicht richtig an, wenn ich sitze, während meine Käufer stehen. Den Respekt, der mir von ihnen entgegengebracht wird und für den ich sehr dankbar bin, versuche ich so zu erwidern. Leider ist in meinem Fall die Wohnung nur bedingt auch ein Ort der Familie. Vor 1989, als in Rumänien noch die kommunistische Partei herrschte, hatte ich einen Job als Automechaniker, zu dem auch eine Dienstwohnung mit zwei Zimmern in einem Plattenbau gehörte. Darin musste meine Frau mit unseren drei Töchtern oft ohne mich auskommen. Meine Anstellung brachte es mit sich, dass ich immer mal ein bis zwei Monate unterwegs war. Nach der Wende wurde mein Arbeitsplatz aufgelöst und ich arbeitete im Ausland. Zwischenzeitlich hatte ich auch ein Unternehmen, bei dem ich Transporte mit Kleinbussen durchführte. Zuerst fuhr ich Güter, die Asylsuchende aus Deutschland zu den Verwandten nach Rumänien schickten, später transportierte ich Spenden und zuletzt Leute, die nach Spanien zum Arbeiten gingen. Von 2008 an rentierten sich diese Transporte nicht mehr. Wieder verdiente ich mein Geld als Automechaniker in Italien und Spanien, fand aber keine Festanstellung. Auch in Deutschland wollte ich in meinem gelernten Beruf arbeiten, man sagte mir jedoch, ich sei zu alt. Deshalb bin ich sehr froh, bei BISS angestellt zu sein. Meine Frau hat sich daran gewöhnt, meistens allein in Rumänien zu leben, aber wir telefonieren täglich. Unsere Trennung ist das Opfer, das wir bringen, damit unsere Töchter eine anständige Ausbildung erhalten. Wäre ich in Rumänien geblieben, wäre das nicht möglich gewesen. Mein großer Traum ist es, dass meine Mädels bald so gut verdienen werden, dass wir, einschließlich meines Ersparten, genügend Geld beisammenhaben, um uns ein Haus zu kaufen, in dem wir alle zusammen leben können.
Im vergangenen Frühjahr wurden Schülersprecher in den Medien immer wieder zu ausfallenden Abiturprüfungen und Abibällen befragt – aber immer die von Gymnasien. Was ist mit den anderen Schularten? Wer setzt sich für deren Schüler ein? Zu Besuch bei der Schülersprecherwahl in einer Mittelschule im Hasenbergl.
Von HELENA OTT
Fotos SEBASTIAN LOCK
Es ist ein triefend regengrauer Montag Anfang Februar. 27 Schüler sitzen in den Rängen und warten auf die Schülersprecherwahl, fünfte bis zehnte Klasse. Christine Thorwarth musste den dritten Schülersprecher seines Amtes entheben. „Er wurde seiner Vorbildrolle nicht gerecht“, habe Lehrer beleidigt und auf dem Pausenhof randaliert. Die Beliebtesten sind manchmal eben auch die Verhaltensauffälligsten. Deshalb hat Thorwarth an diesem Montag weiße Zettel als Wahlscheine vorbereitet. Demokratie auf kleinstem Raum. Die Schüler sitzen mit Abstand in dem Saal mit kleiner Bühne und den aufsteigenden Sitzreihen. Die junge Lehrerin in weißer Bluse, mit rotem Hoodie darüber, und mit lässigem halbem Dutt wurde von den Mittelschülern zur Vertrauenslehrerin gewählt. „Ich will den Schülern eine Stimme geben und ihnen zeigen, dass sie mitgestalten können“, sagt Christine Thorwarth. Zuvor betreute sie schon die Arbeit der Schülermitverwaltung, kurz SMV.
Besar, 9. Klasse
Während auf den aufsteigenden Sitzrängen noch durcheinandergeredet wird, steht Besar auf, nimmt den kürzesten Weg auf die Bühne und spricht ins Mikrofon: „Ich bin Besar, aus der 9M, und ich möchte Schülersprecher werden, weil ich gut Geheimnisse hüten kann und hilfsbereit bin.“ Ende. Dabei schickt der große, hagere Junge, wie er mit fester Stimme spricht, auch die Botschaft in die Sitzreihen: „Ihr könnt mir vertrauen, ich kann das.“ Er gibt das Mikrofon zurück an Christine Thorwarth. Die junge Lehrerin koordiniert die Schülersprecherwahl auf der Bühne mit mächtigem schwarzem Vorhang dahinter. Mit Edding notiert sie die Namen auf einem Flipchart-Papier. Nach Besar, dem Jungen, der als Erstes aufgestanden war, trauen sich noch acht andere Kinder auf die Bühne, um sich aufstellen zu lassen. Darunter auch ein Mädchen mit schwarzem Kopftuch aus der fünften Klasse und zwei kleine Jungs. Konzentriert lässig schlendert ein Mädchen auf die Bühne zu, weiße Turnschuhe, graue Jogginghose, schwarze Jacke. „Hi Leute, ich bin Erblina aus der 9 G und ich will Schülersprecherin werden, weil ich Probleme lösen will und für jeden ein offenes Ohr hab.“ Bevor abgestimmt wird, geht die Sozialarbeiterin Lisa Gröger, die an der Schule ein Projekt zur Demokratieförderung betreut, noch einmal die Wahlrechtsgrundsätze durch. „Du musst niemandem sagen, wen du auf den Zettel schreibst“, sagt Gröger. Und dass sie nur einen Namen notieren dürfen. Dann fragt ein Mädchen aus der siebten Klasse, welche Aufgaben Schülersprecher überhaupt hätten. Gute Frage: „Na, wenn die Klassensprecher die Interessen einer Klasse vertreten, vertreten die Schülersprecher die Interessen aller Schüler“, sagt Christine Thorwarth.
Der Streifenwagen hielt neben mir. So was hatten die Polizeibeamten noch nicht gesehen. Wahrscheinlich dachten sie, ich wäre betrunken. Dabei konnten sie kaum mehr irren. Seit meiner Militärzeit in der Tschechoslowakei war ich es gewohnt, jeden Morgen um sechs Uhr aufzustehen und nur in Hosen und mit freiem Oberkörper, selbst bei eisigen Temperaturen, mich warm zu laufen. So joggte ich auch an diesem Morgen in Unterhemd und kurzer Hose bei minus 15°C, als die Polizei mich verwundert anhielt. 60 Jahre lang bin ich Marathon gelaufen, eine Zeitlang in 2 Stunden und 36 Minuten. Mit mittlerweile 85 Jahren habe ich mit dem Laufen aufgehört. Mein Leben lang bin ich nie ernsthaft krank gewesen. Ich bin der dienstälteste BISS-Verkäufer und war in diesen 29 Jahren niemals krankgeschrieben. Das liegt sicher auch daran, dass ich nicht rauche und keinen Alkohol trinke. Letzteres war der Grund, warum ich damals die Armee der CSSR verlassen habe. Als Sportler war ich ein Gegner des Alkohols, im Gegensatz zu den anderen dort. Bei den feuchtfröhlichen Feiern im Offizierskasino habe ich nicht mitgemacht. Einmal bestellte ich Milch in einer Kneipe, um die Alkoholtrinker zu ärgern, wohl wissend, dass dort keine Milch ausgeschenkt wurde. Meine Enthaltsamkeit kam einem Politoffizier der kommunistischen Partei zu Ohren. Er beauftragte mich, zu ihm nach Hause zu kommen, um sein Radiogerät zu reparieren, da ich den Beruf des Radio-und Fernsehtechnikers gelernt hatte. Als ich in seiner Wohnung war, bot er mir gleich einen Schnaps an, den ich abschlug. Stattdessen trank ich Limonade. Bald schon merkte ich, dass das Radio absichtlich kaputtgemacht worden war. Der Major erzählte mir nun, er hätte mich sechs Monate lang beobachtet, da er sich davon überzeugen wollte, dass ich tatsächlich nichts trank. Er meinte, solche Leute wie mich brauche man bei der Armee, und er werde dafür sorgen, dass ich auf die Akademie käme. Das war überhaupt nicht in meinem Sinn, mit diesem dem Alkohol zugeneigten Haufen wollte ich nichts zu tun haben. So kam es, dass ich aus der Armee desertierte und nach Deutschland floh. 1960 – ich war schon längst nicht mehr in der CSSR – entzog mir der tschechoslowakische Staat die Staatsbürgerschaft. Seitdem bin ich staatenlos. Seit 1958 lebe ich in Deutschland und warte diese Tage auf das Ergebnis meines Einbürgerungsverfahrens. Es ist nicht das erste Mal, dass ich versuche, deutscher Staatsbürger zu werden, und ich hoffe, dass es nun klappt.