Zu leben ist schwer, aber nicht unmöglich

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

Von Husnain Akbar

In Libyen hatte ich eine Schmuckwerkstatt, die gut lief. Aber mit dem Bürgerkrieg änderte sich alles. Weil mein Leben dort immer gefährlicher wurde, kontaktierte ich den Mann, der auch schon einen Freund von mir nach Italien gebracht hatte. Weil er mit mir noch meinen Rollstuhl befördern musste, verlangte er von mir anstelle von 500 Euro für die Überfahrt 2.800 Euro. Ich musste mir das Geld von Freunden leihen. Als ich dann sah, womit wir das Meer von Libyen nach Italien überqueren würden, wollte ich nicht mit. In dem motorisieren Holzboot sollten über 300 Menschen Platz nehmen. Das erschien mir viel zu eng. Der Mann sagte, wenn ich nicht mehr mitkommen wolle, müsse ich sterben. Eine syrische Familie weigerte sich zu fahren, da hat der Mann sie vor unser aller Augen erschossen. Die Leichen blieben an Ort und Stelle liegen. Alle unsere Sachen, also auch meinen Rollstuhl, das Geld, unsere Papiere, hat der Mann uns abgenommen und versprochen, wir würden es später kriegen. Wir sahen die Sachen nie wieder. Weil das Wetter schlecht für eine Überfahrt war, mussten wir zwei Tage lang, ohne etwas zu essen oder zu trinken, unter freiem Himmel, bei gleißender Hitze, sehr beengt und ohne Toilette ausharren. Dann ging es am Abend los. 17 Stunden waren wir auf See. Viele weinten oder beteten. Wir alle glaubten, dass wir dieses Boot nicht lebend verlassen würden. In der Nacht war alles schwarz, man konnte nichts erkennen, denn es gab kein noch so kleines Licht. Geräte zum Navigieren benutzte er nicht, und zweimal verirrte er sich. Schließlich rief er per Funk nach Hilfe. Vier Stunden lang suchten sie uns. Als sie uns gefunden hatten, holten sie uns mit einem kleinen Boot nacheinander an Bord eines größeren Schiffes. Zunächst verstanden wir nicht, was vor sich ging, und wollten nicht mit. Unser Bootsführer sagte aber, wenn wir nicht mitgehen würden, würde er uns töten. Auch mahnte er uns, ihn auf keinen Fall als Drahtzieher zu verraten. So kam ich nach Italien. Einen Tag lang lag ich nur im Bett, denn ich konnte mich ohne Rollstuhl nicht fortbewegen. Ich habe ein Foto, das ich an diesem Tag von mir gemacht habe. Dort blicke ich teilnahmslos mit glasigen Augen vor mich hin. Trotz allem bin ich ein positiver Mensch. Zu leben ist schwer, aber nicht unmöglich, sage ich immer. Und so bekam ich am nächsten Tag einen Rollstuhl. Und jetzt, einige Jahre später, arbeite ich sogar neben dem Job als BISS-Verkäufer wieder in meinem erlernten Beruf als Goldschmied in einem kleinen Laden in Pasing.