EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Toni Menacher
Schon in meiner Schulzeit war ich sehr politisch und geschichtlich interessiert. Meine erste größere politische Erfahrung war die Überreichung des Friedensnobelpreises an Willy Brandt 1971. Damals war ich zehn Jahre alt und verfolgte die Verleihung im Fernsehen. Ich informierte mich dann in Geschichtsbüchern meines Bruders über Brandts Lebenswerk und war beeindruckt. Viele Erwachsene in meiner Umgebung waren aus der Kriegsgeneration und sprachen entweder nicht über die Nazizeit und den Krieg, oder aber sie verharmlosten dieses Thema und sagten, sie hätten von der Judenverfolgung nie etwas gewusst. Willy Brandt hat aber sein Leben, seine Freiheit und seine Gesundheit riskiert und im Untergrund gegen die Nazis gekämpft. Ich hätte bestimmt nicht den Mut dazu gehabt. Für mich ist es darum vorbildlich, dass Brandt immer seinen Weg ging. Was mich bis heute stört, ist, dass er sich während der 68er-Bewegung nicht auf die Seite der Demonstranten stellte. Im Gegenteil: Er unterstützte die Notstandsgesetze der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger. Wie kann ein Mann wie Willy Brandt es zulassen, dass Methoden wie in einem Polizeistaat herrschen? Ich selbst, Jahrgang 1961, erlebte dies während der Anti-Atomkraft-Demonstrationen ab Ende der 70er-Jahre. Ich wohnte damals etwa 10 bis 15 Kilometer entfernt von den Atomkraftwerken Ohu 1 und 2 und war mehrmals auf Anti-Atom-Demos. Als Demonstranten auf diesen Demos von der Polizei mit Wasserwerfern und Knüppeln traktiert wurden, hat Willy Brandt nichts dagegen gemacht. Das habe ich ihm übel genommen. Denn er war zwar ab 1974 nicht mehr Bundeskanzler, als SPD-Vorsitzender aber einer der einflussreichsten Politiker. Ich bin immer schon SPD-Sympathisant, aber deshalb fand oder finde ich bei Weitem nicht alles gut, was die Partei macht. Aber es macht mir heute noch Spaß, mit politisch andersdenkenden Menschen zu diskutieren. Aber nur Demokraten! Die Diskussion mit Ewiggestrigen finde ich unnötig. Und ich er- lebe es mit Schrecken, dass heute alte Parolen wie „Ausländer raus“ oder „Asylbewerber sind alles Schmarotzer und Verbrecher“ wieder Zuspruch erhalten. Haben wir nichts aus der Vergangenheit gelernt? Auch am Stammtisch unterlasse ich solche Gespräche, weil Bier und Politik, da kommt nichts Gutes raus!