EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Sanda Boca
Die aktuelle Lage mahnt zu Kontaktbeschränkung, Abstandseinhaltung und zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Händewaschen wurde zum nationalen Sport und tägliche Auseinandersetzungen über die Einhaltung des Mindestabstands in den öffentlichen Verkehrsmitteln und im Supermarkt zum neuen Kultur- und Kinoprogramm der Nation. Ich freue mich für jeden, der dies humorvoll und optimistisch betrachten kann, denn das bedeutet, dass er durch die Pandemie keinen Leidensdruck empfindet. Mein Mitgefühl gilt denen, die in dieser Krise bereits einen großen Verlust erleiden mussten, in welcher Hinsicht auch immer. Covid als Krise der Liebenden und der Existenz löst große Angst aus. Ich stehe täglich ungefähr sechs Stunden an der Theatinerstraße mit ihren teuren Geschäften und reichen Kunden und versuche euch vom Kauf einer Zeitschrift zu überzeugen. Ich weiß, meine Arbeit wirkt nach außen unattraktiv, und manche lesen lieber Zeitschriften mit Bildern von der Welt und Persönlichkeiten, die in aller Munde sind. Euer Interesse mag es sein, globale Informationen zu erfahren, und ich glaube auch, es ist wichtig, ein offenes Ohr für die Nöte und Ereignisse auf der ganzen Welt zu haben. Die Zeitschrift, die ich euch anbiete, behandelt diese Themen nicht. BISS handelt von Bürgern dieser Stadt. Mit BISS habe ich Arbeit und kann selbst für mein Leben sorgen und meine Familie unterstützen. Trotz Corona, der Folgen einer schweren Operation an der Schulter und der kälter werdenden Temperaturen bin ich glücklich hier und ich liebe meine Wohnung. Ich lebe hier zufrieden mit meinem Hund Kora. Ohne meinen vierbeinigen Begleiter wäre alles anders. Er macht vieles schön und seine Liebe gibt mir jeden Tag Kraft. Ich sehe die Bedenken vieler Bürger*innen und was seht ihr? Seht ihr mich auch an? Seht ihr den Menschen hinter der Hand, die euch eine Zeitschrift entgegenstreckt? Ich glaube, wir müssen uns nicht anfassen, um uns zu berühren, und wir müssen nicht dicht beieinanderstehen, um uns nah zu sein. Eine freundliche Geste, von wem sie auch ist und wie sie auch sei, ist für mich etwas Höheres. Ich halte alle Vorsichtsmaßnahmen, die der Bevölkerung anlässlich der Pandemie auferlegt wurden, ein und richte mich stets nach den behördlichen Auflagen. Ich bedauere, dass die Gastronomie schließen musste, denn einige hilfsbereite Kellner und Gastronomen unterstützen mich bei meiner Arbeit, und dafür bin ich von Herzen dankbar. Dies gilt auch für jegliche Hilfe, die ich in Anspruch nehmen konnte. Habt Interesse aneinander und entwickelt Neugierde für die Geschichten und Bürger dieser Stadt.