Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll: ANNELIESE WELTHER
Foto: Martin Fengel

Unsere Wohnung befindet sich in einem Mehrfamilienhaus. Es ist eines von vielen älteren Gebäuden, nebeneinander bilden sie eine hübsche Fassade, wie man sie an vielen Stellen in München findet. Gleich im Erdgeschoss wohnen wir, man ist schnell drin, aber auch schnell wieder draußen. Das ist gut, denn meine Frau und ich gehen gern in der Umgebung spazieren. Es ist eine ziemlich ruhige Gegend. In der Nähe gibt es einen Park und von unseren Fenstern aus
kann man Schrebergärten sehen. Dabei wohnen wir mitten in der Stadt, ein paar Straßen weiter ist schon mehr los. Früher in Rumänien war es ganz anders. Ich bin auf dem Land groß geworden, habe mit meiner Familie in einem Haus gelebt. Meine Frau kenne ich schon seit Kindesbeinen an, wir stammen aus dem gleichen Dorf. Nachdem wir geheiratet hatten, war es nicht so einfach für mich, denn wir wohnten bei meinen Schwiegereltern, die mir das Leben schwer machten. Als unsere beiden Kinder klein waren, benötigten wir mehr Platz als jetzt, und den hatten wir auch, in unserem Haus waren drei Zimmer. Dann kam die Revolution in Rumänien, der langjährige kommunistische Anführer Ceauceșcu wurde gestürzt und ein demokratisches, sich am Westen Europas orientierendes System wurde errichtet. Zunächst freute mich das. Ich arbeitete damals in einer großen Metallfabrik. Bald schon verlor ich jedoch diese Beschäftigung und fand ein Jahr lang keine mehr. Wir sahen uns gezwungen, das Land zu verlassen, verkauften das Haus und zogen nach Italien. Dort teilten wir eine Wohnung mit drei Familien, meine Frau und ich besaßen ein Zimmer für uns, Bad und Küche hatten wir gemeinsam mit den anderen. Unsere Kinder waren schon groß, lebten nicht mehr bei uns. Bevor ich unsere jetzige Wohnung bezogen habe, war ich bei Freunden untergekommen. Es war eine große Freude, als ich mit meiner Frau hier einziehen konnte. Natürlich ist es kleiner als im Haus: Wir haben ein Bad, eine kleine Küche, und ein Raum mit zwei Betten und einem großen Fernseher dient uns als Wohn- wie auch als Schlafzimmer. Aber mehr brauchen wir nicht. Das Leben in der Stadt gefällt mir besser als das auf dem Land. Nur manchmal gibt es Probleme mit dem Warmwasser, dann müssen wir die Handwerker bestellen, die sich darum kümmern. Auch wohne ich ein bisschen weit weg von meinem Verkaufsplatz, aber mit der U-Bahn komme ich gut dorthin. Auf dem Heimweg ist meine Tasche, in der ich die Zeitschriften habe, leerer als vorher und ich kann gleich ein paar Besorgungen erledigen, bringe Lebensmittel und Getränke nach Hause. Hin und wieder besuchen uns auch unsere Tochter und die Enkelkinder. Häufiger gehe ich zu ihnen, allein, denn ihr Zuhause ist ein ganz schönes Stück entfernt von uns, man muss mit dem Bus fahren und eine Strecke laufen. Meine Frau schafft das leider nicht mehr. Auf ihre Initiative hin hängen in unserem Zimmer Bilder von Rosen, und es gibt auch mehrere Vasen mit bunten Kunststoffblumen. Eine Frau, die Blumen liebt, liebt auch ihren Mann und ihre Familie. Wir führen ein bescheidenes Leben, doch haben wir alles, was wir brauchen, und sind damit zufrieden. Mehr wünschen wir uns gar nicht.