Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Der Rheinländer
Protokoll FELICITAS WILKE
Foto MARTIN FENGEL
„Seit drei Jahren ist ein Seniorenheim im Norden von Schwabing mein Zuhause. Wenn mir danach ist, habe ich hier immer Menschen um mich herum. Ich habe eine nette Clique, mit der ich mich fast jeden Tag im Café treffe, um Kaffee zu trinken und mich zu unterhalten. Manchmal gehen wir uns auch auf die Nerven. Dann ziehe ich mich in mein Zimmer oder auf meinen Balkon zurück, wo ich meine Ruhe habe. Der Kaffee schmeckt dort auch besser: Nichts geht über meinen Nescafé! Mein Zimmer im Seniorenheim ist nicht groß, hat aber ein eigenes Bad und auch ansonsten alles, was ich brauche. Das Bett ist höhenverstellbar, damit ich ohne Hilfe rein- und rauskomme. An dem kleinen Esstisch nehme ich die Mahlzeiten zu mir, das Essen wird mir nämlich ins Zimmer geliefert. Komme ich mal später nach Hause, habe ich auch eine eigene Mikrowelle, um mir etwas warm zu machen. Ich schätze, dass der Heimplatz um die 3.000 Euro im Monat kostet, allerdings übernimmt der Bezirk Oberbayern einen Großteil. Einige hundert Euro steuere ich mit meiner Rente und meinem Pflegegeld bei. Im Gegenzug ist hier einiges geboten: Es gibt einen großen Garten, man kann Spiele spielen und einmal pro Woche zu einer Aufführung im hauseigenen Theater gehen. Ich finde es gut, wenn etwas los ist. Geboren bin ich in Würselen bei Aachen, meine Kindheit verbrachte ich in Düsseldorf. Dort arbeitete mein Vater auf Zeche. Zusammen mit meinen Eltern und meinen sieben Geschwistern lebte ich in einem Haus in der Stadt. Wir fuhren aber auch oft nach Essen, wo meine Oma lebte. Gab es Krach zu Hause, blieb ich einfach länger bei Oma. Nach der Schule machte ich in Düsseldorf eine Schneiderlehre. Da mir auf Dauer zu wenig Geld dabei herumkam, schulte ich um, wechselte in die Gastronomie und zog nach Hamburg. Dort arbeitete ich 24 Jahre lang in Gaststätten und Kneipen auf der Reeperbahn und in St. Georg. Zeitweise lag sogar meine Wohnung über einer Bar. Es war eine wilde Zeit. Ich bekam Schießereien zwischen Zuhältern in der Kneipe „Ritze“ mit und erlebte Jimi Hendrix live in Eppendorf. Aber irgendwann war es Zeit für etwas Neues. Nach einem kurzen Umweg über Berlin kam ich 1989 nach München. Auch in München stürzte ich mich zunächst ins „Nachtleben“. Ich arbeitete mal hier, mal dort in der Gastronomie und trank abends im „Wintergarten“ am Elisabethplatz mein Feierabendbier. Dort lernte ich schnell neue Leute kennen. Als 1993 die BISS gegründet wurde, war ich einer ihrer ersten Verkäufer. In München wohnte ich lange in einem Hochhaus in Schwabing, in der Nähe meines Seniorenheims. Bei einem Hausfest lernte ich meine Nachbarn eines Tages besser kennen, darunter ein Ehepaar. Wir wurden Freunde, gingen zusammen auf die nahe gelegene Bowlingbahn oder in den Biergarten. Als ich vor einigen Jahren schwer erkrankte, meine Sehkraft weitgehend verlor und nicht mehr arbeiten konnte, unterstützte mich meine Nachbarin sehr – das tut sie bis heute. Zweimal in der Woche kommt sie vorbei oder begleitet mich zu Terminen. Einmal im Monat gehen wir zusammen auswärts essen, oft in den „Wintergarten“ – wie früher.“