Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll ANNELIESE WELTHER
Der gern Freunde um sich hat

Selten kommt es vor, dass man in eine ganz neu fertiggestellte Wohnung einzieht. Mir war das vor ein paar Jahren vergönnt, als ich mein Einzimmerappartement in Schwabing erhielt, einer Gegend mit vielen Familien. Ein absolutes Kontrastprogramm zu meiner vorherigen Situation: Fünf Jahre lang teilte ich mir ein Zimmer in einer Pension. Anfangs war mir dort etwas mulmig zumute, doch dann freundete ich mich mit meinen beiden Mitbewohnern an. Oft ging es turbulent zu, und nicht selten war die Polizei im Haus. Zweimal hatte ich das Vergnügen, dass Wasser von der Decke tropfte. Der Nachbar von oben hatte vergessen, die Dusche abzudrehen. Ein anderes Mal schmiss einer einen Stuhl und ein Fernsehgerät aus dem Fenster. Eines Morgens ging ich los, um die BISS zu verkaufen, da kamen mir von draußen vermummte Beamte, in Schutzkleidung und mit einem Rammbock ausgestattet, entgegen. Als ich nach der Arbeit zurückkehrte, erfuhr ich, dass sie in unserem Zimmer gewesen waren! Einer meiner Mitbewohner hatte seine Freundin bedroht. In meiner jetzigen Wohnung habe ich mich zunächst daran gewöhnen müssen, dass nicht immer jemand zum Reden da ist. Dabei habe ich schon zuvor allein gelebt, als ich mit 19 von zu Hause ausgezogen bin und eine Dachgeschosswohnung nur für mich hatte. Bis tief in die Nacht hinein spielte ich dort mit meinen Freunden auf der Playstation. Nach zwei Jahren musste ich die Wohnung für den Wehrdienst aufgeben. Bei der Grundausbildung war ich mit fünf weiteren Wehrpflichtigen in einem Zimmer untergebracht. Jeden Morgen weckte uns der Schrei des Offiziers vom Dienst. Nach der Körperpflege mussten wir unser Zimmer putzen. Bei der anschließenden Kontrolle hatte der Offizier immer etwas zu beanstanden. Als Kind hatte ich mit meinen Eltern immer in ländlich gelegenen Dienstwohnungen gelebt, was sehr langweilig war. Freunde zum Spielen gab es nicht. Wenn ich mal einen Schulkameraden besuchen wollte, musste ich drei Kilometer radeln. Aber ich hatte ein eigenes Zimmer, in dem ich alle möglichen Sachen auseinanderschraubte. Nach meiner Wehrdienstzeit zog ich wieder bei meinen Eltern ein. Sie überredeten mich, zu meinem zehn Jahre älteren Bruder nach München umzusiedeln, da die Chancen, eine Arbeit zu finden, dort größer wären. Eine Zeit lang wohnte ich bei ihm und seiner Familie, bis ich in eine Einzimmerwohnung einzog – fast so eine, wie ich jetzt habe, nur etwas kleiner. Ich hatte wechselnde Jobs, wurde arbeitslos und musste meine Bleibe aufgeben. So landete ich in der Pension und dann hier. In der Wohnung gibt es immer etwas, was mir nicht mehr gefällt und verändert werden muss. Als Nächstes werde ich die Wände streichen, denn mit der Zeit ist hier ein Fleck entstanden und dort einer, das nervt mich. Glücklich bin ich über meinen Balkon, wo ich rauchen kann. Dort grille ich zudem hin und wieder mit Freunden, die mich häufig besuchen. Wir kochen auch zusammen oder planen den nächsten gemeinsamen Urlaub.