Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Die Ballerina

Protokoll ANNELIESE WELTHER

Foto MARTIN FENGEL

Betritt man meine Wohnung, steht man gleich in der Küche, zu der auch ein Tisch und zwei Stühle gehören. Oft sitzt dort der ein oder andere Nachbar oder Freund. Zu allen Bewohnern der Anlage habe ich ein gutes Verhältnis. Wir schauen nacheinander, unterstützen uns gegenseitig, holen dem anderen mal die Zeitung. Ich versuche den Leuten immer freundlich, offen und ehrlich zu begegnen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, ist meine Überzeugung. In meinem 1-Zimmer-Appartement lebe ich seit 20 Jahren, das ist fast so lange, wie es unsere Wohnanlage in Ramersdorf gibt. An der Wand im
Flur hängt ein Paar Ballettschuhe, die mich an die 20 Jahre, die ich getanzt habe, erinnern. Mit viereinhalb Jahren habe ich damit begonnen. Damals lebte ich in New York. Zuvor war ich etwa ein Jahr mit meinen Eltern auf Amrum gewesen. An diese Zeit erinnere ich mich aber nicht mehr. Als ich 18 war, zogen meine Eltern mit mir und meiner Schwester nach Pforzheim. Diese Kleinstadt mitten im Schwarzwald war das Gegenteil von den USA, wo alles riesig, modern und etwas verrückt war. Mir fehlte der Trubel, die Hektik, das Leben. Mein chinesisches Sternzeichen ist der Hahn, das bedeutet, ich stehe gern im Mittelpunkt und habe viel Energie. Bald zog ich wieder aus und ging kurze Zeit später zurück in die Staaten, um an der Theaterakademie zu studieren. Ich genoss es, allein zu leben, unabhängig und selbstständig zu sein. Irgendwann einmal entschied ich mich jedoch, das Tanzen an den Nagel zu hängen, da man damit kein Geld verdienen konnte. Im Urlaub lernte ich meinen Mann kennen und aus drei Tagen München wurde schließlich eine Ehe. Was das Wohnen angeht, hat mein Mann einen anderen Stil als ich. Würde es nur nach mir gehen, hätten wir viel weniger Sachen. Zum Beispiel hängen in unserem Wohn- und Schlafzimmer etliche Bilder: moderne Kunst, Fotografien, Stadtansichten – viel zu viele. Ich mag es gern übersichtlich und ordentlich. Vielleicht weil ich als junger Mensch sehr viel umgezogen bin, kann ich mir nicht vorstellen, auf Dauer hier in diesem Appartement zu bleiben. Von meinen Eltern bin ich gehobenere Viertel gewohnt. Ich mag es gern innerstädtischer, vor allem die Altbauwohnungen mit ihren Stuckdecken haben es mir angetan. Allerdings gehört unsere Anlage zum Sozialen Wohnungsbau, wir zahlen für unser Appartement 386 Euro plus Nebenkosten. Würde ich wegziehen, müsste ich ein Vielfaches davon aufbringen. Ich wäre blöd, wenn ich das machen würde. Angesichts dessen, dass manche BISS-Verkäufer gar keine Wohnung haben, bin ich letztendlich zufrieden. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, trinke ich gern mal einen Tee, relaxe, schaue nach den Nachbarn, putze Zähne und schon falle ich ins Bett. In den Momenten, in denen ich meine Ruhe brauche, lese ich etwas, schaue fern oder höre leise, ruhige Musik. Aber diese Augenblicke sind selten. Ich finde, das Wichtigste ist, dass man agil bleibt.