Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Der aus Unterschleißheim

Protokoll ANNELIESE WELTHER

Foto MARTIN FENGEL

Die 2-Zimmer-Wohnung, die ich mir mit einer BISS-Kollegin teile, liegt ganz oben in einem fünfstöckigen Mehrfamilienhaus inmitten eines Wohngebiets in Unterschleißheim. Unser Gebäude ist das höchste in der Umgebung und ich kann über die vielen kleinen Häuser mit ihren Gärten drum herum bis hinaus auf die Felder blicken. Zu meinem Verkaufsplatz in der Münchner Innenstadt habe ich einen langen Weg: Zuerst fahre ich mit der S-Bahn, dann mit der U-Bahn und dann noch ein Stück mit der Tram. Dennoch bin ich mit meiner Wohnsituation sehr zufrieden, mir gefällt es, dass ich so ruhig und ländlich lebe. An zwei Tagen in der Woche verkaufe ich auch in Unterschleißheim. Die BISS kommt bei den Leuten hier draußen gut an. Meine Käufer sind ganz unterschiedlich, Junge, Alte, Familien, jedoch alle ganz bodenständige Menschen, die sich für mich interessieren und auch immer mal wieder fragen, ob ich etwas benötige. Aber auch über die Käufer in München drin kann ich nur Gutes berichten. Einige von ihnen haben selbst schwere Krisen durchlebt und teilen dennoch das Wenige, das sie haben, mit mir. An meiner Wohnung gefällt mir, dass sie über alles verfügt, was man braucht: Küche, Bad, einen Balkon und ein Kellerabteil. Lange Zeit habe ich von so etwas nur geträumt, zum Beispiel, als ich in meinem Heimatland Rumänien als Schafhirte in einer nach vorn offenen Holzkiste mitten auf dem Feld wohnte, deren Grundfläche gerade mal so groß wie meine Matratze war. Waschen musste ich mich am nahe gelegenen Bach. Damals wünschte ich mir sehnlichst, ich würde in der Fabrik arbeiten und in einer Wohnung leben. Bis zu meinem neunten Lebensjahr hatte ich bereits mit meiner Mutter in einem Wohnblock gewohnt. Rosig war diese Zeit allerdings auch nicht, immer wieder gab es Reibereien zwischen uns. Ganz eskalierte die Lage, als sie sich wieder verheiratete und noch ein Kind erwartete, da musste ich ins Heim. Als ich viele Jahre später nach Bukarest gelangte, konnte ich mir dort keine Wohnung leisten, also schlief ich auf Parkbänken. Sogar in einem Kanalschacht übernachtete ich mal, auf den warmen Heizungsrohren. Tagsüber arbeitete ich auf einer Baustelle. Dort gelang es mir, aus Stellwänden ein Kabuff zusammenzuzimmern, wo ich behelfsmäßig bleiben konnte. Dem Leiter der Baustelle gefiel das ganz gut, da somit der Platz auch nachts bewacht war. Ich besorgte mir einen speziellen Draht, den man normalerweise in Öfen hat, legte ihn auf einen Ziegelstein, erhitzte ihn und konnte mir so was zu essen kochen. Eine bessere Lebenssituation erhoffte ich mir in Deutschland, doch auch hier musste ich fast drei Jahre auf der Straße leben. Mein Tagesablauf sah damals folgendermaßen aus: Nach der Arbeit auf dem Bau kehrte ich um 17 oder 18 Uhr zurück, saß auf einer Parkbank, bis die Leute langsam nach Hause gingen, legte dann einen Karton auf den Boden und darauf meinen Schlafsack. So schlief ich bis sechs Uhr morgens. An dem Springbrunnen wusch ich mich. Wenn ich zur Arbeit ging, versteckte ich den Schlafsack und meinen Kleiderbeutel im Gebüsch. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei.