Wie ich wohne

Wer wohnt wie? In der Kolumne geben BISS-Verkäuferinnen und -Verkäufer Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Protokoll FELICITAS WILKE

Der Angekommene

Foto: Martin Fengel

Laptop, Hund oder Katze: Was für viele Menschen zu einer Wohnung dazugehört, findet man in meiner Wohnung in einem Mehrparteienhaus in Berg am Laim nicht. Stattdessen habe ich hier ein Bett, einen Fernseher, ein Sofa, einen Tisch und zwei Stühle. Wenn die Sonne scheint, setze ich mich auf den Balkon. Und wenn ich Hunger habe, dann koche ich in meiner roten Küchenzeile ein Gericht aus meiner Heimat: Am liebsten mag ich Lammfleisch, Gemüse und Bohnen. Ich stamme ursprünglich aus Pakistan. Dort bin ich mit zwei Brüdern und drei Schwestern in einem kleinen, armen Dorf aufgewachsen. Später bin ich in meinem Heimatland zum Militär gegangen und habe selbst eine Familie gegründet. Doch in Pakistan hat der Terrorismus das Sagen. Mein Leben dort war gefährlich, weshalb ich mich vor neun Jahren allein auf die Flucht machte. 18 Monate lang war ich unterwegs – und obdachlos. Mal schlief ich auf der Straße, mal im Wald. Meist ging ich zu Fuß, manchmal nahm mich ein Lastwagen mit. Bis ich irgendwann in Passau ankam und Asyl beantragte. Die erste Zeit war hart: Ich kam zuerst in eine Flüchtlingsunterkunft nach München, dann nach Zirndorf, dann nach Mindelheim. Anfangs durfte ich mir noch keinen Job suchen, aber irgendwann kam dann die Arbeitsgenehmigung, und ich fand eine Anstellung bei einer Reinigungsfirma. Also pendelte ich Tag für Tag von Mindelheim ins 90 Kilometer entfernte München: eine gute Stunde hin, eine gute Stunde zurück. Das war anstrengend – auch deshalb, weil wir in den Unterkünften zu sechst in einem Zimmer lebten. Wir stritten darüber, wer wann kochen darf, wer wann schlafen gehen will und wer welche Musik hört. Drei Jahre lang. Bei der BISS fand ich vor einigen Jahren nicht nur eine neue Arbeit, sondern mit ihrer Hilfe auch eine Wohnung in München. Endlich hatte das Pendeln ein Ende und ich bekam ein bisschen Privatsphäre zurück. Für mein Zimmer mit Bad und Balkon zahle ich jeden Monat 525 Euro. Ich bin froh, inzwischen Raum für mich zu haben, aber ich bin auch viel allein. Umso wichtiger ist es mir, den Kontakt zu anderen Menschen zu halten. Über mein Handy und das Internet kommuniziere ich mit meiner Familie, außerdem treffe ich mich in München manchmal mit Landsleuten. Und dann sind da noch meine Stammkunden, die ich vom Verkaufen vor allem in Pasing kenne. Sie bringen mir zu verschiedenen Anlässen, zum Beispiel zu Weihnachten, immer wieder Postkarten vorbei. Diese Karten haben bei mir einen Ehrenplatz an der Tür. Meine vergangenen Jahre waren geprägt von Unsicherheit. Ich hatte viele Termine mit Behörden und mich beschäftigte die bange Frage, ob ich in Deutschland bleiben darf. Zwischenzeitlich sah es so aus, als müsste ich das Land verlassen, auch die BISS durfte ich nicht mehr verkaufen. Das hat sich mittlerweile zum Glück wieder geändert. Ich arbeite und habe eine Wohnung: Eigentlich lebe ich mein Wunschleben.