Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Protokoll ANNELIESE WELTHER
Foto MARTIN FENGEL
Der mit dem Bären zeltet
Zwei Affen hängen an der Wohnzimmerwand und auf dem Sofa liegen drei Tiger. Noch mehr Kuscheltiere tummeln sich in den Zimmern meiner beiden Töchter. Wir haben aber auch echte Tiere: Im Wohnzimmer steht ein großer Käfig mit zwei Wellensittichen und meine ältere Tochter hat eine Katze. Unsere Wohnung liegt in Pasing, ist 96 Quadratmeter groß und hat vier Zimmer. Neben dem Wohnzimmer und den beiden Kinderzimmern haben wir ein Schlafzimmer und ein Bad ohne Fenster, dafür aber mit einer Badewanne, einer Waschmaschine, einem Trockner und einem Schrank. Auch die Küche ist nicht klein. Hier steht alles, was wir brauchen. Da ich es liebe, zu essen, muss ich auch kochen können, finde ich. Von meiner Mutter habe ich einiges gelernt, aber ich schaue mir auch viel von anderen Leuten ab. Obwohl die Wohnung geräumig ist, will man nicht immer nur drinnen seine Zeit verbringen. Eigentlich würde sich der Balkon eignen, um mal kurz draußen zu sein: Er ist groß, ruhig, mit Blumenkästen am Geländer. Allerdings haben wir einen empfindlichen Nachbarn, der sich nicht nur daran stört, dass ich rauche, sondern auch an anderem, wie dem Duft unserer frisch gewaschenen Wäsche. Daher ist toll, dass wir es nur eine Viertelstunde raus in die Natur haben. Hier bin ich oft mit den Kindern. Den Rummel der Stadt mochte ich noch nie, schon als Zwölfjähriger zog ich mich zurück, um am See zu fischen. Zehn Jahre später lebte ich sogar mal einen ganzen Monat im Wald, ernährte mich von Pilzen, Beeren, Kaninchen und Rehen. Einmal kam ein Bär vorbei und zerstörte mein Zelt. Ich erschrak so sehr, dass ich sofort nach Hause floh, hielt es aber dort nicht lange aus und zog ohne Zelt wieder in den Wald. Das war mein Rückzugsort, denn zu Hause gab es ständig Ärger mit meinem Vater, der trank und gewalttätig war. Nachdem ich heiratete, zogen wir zur Familie meiner Frau in ein kleines Nest, umgeben von Wald. Idyllisch war es hier aber nicht, da meine Schwiegereltern sowie die meisten Leute Alkoholiker waren. Arbeit fand ich auch nicht, nur in Bukarest gab es welche, wo ich mir aber keine Wohnung leisten konnte. Meine Familie mochte ich in diesen Verhältnissen nicht allein lassen, daher verließen wir alle Rumänien. Nachdem wir in Deutschland angekommen waren, wohnten meine Frau und die Mädchen erst einmal in einer Pension. Ich lebte auf der Straße. Sieben Tage die Woche schuftete ich bei einer Leihfirma, machte alles Mögliche, mal schleppte ich Möbel, dann half ich auf dem Bau aus und am nächsten Tag spülte ich die Brotkästen einer Bäckerei. Trotz der vielen Arbeit sprang nicht viel Lohn dabei raus. Nach gut einem Jahr war ich so ausgelaugt, dass ich psychische Probleme bekam und bei der Leihfirma aufhörte. Zwei Monate lang sammelte ich Flaschen, bis ich von BISS hörte. Ich erhielt nicht nur Arbeit, sondern auch Hilfe bei der Wohnungssuche. Meine Verkaufsstellen sind nur ein paar Minuten von hier entfernt, so kann ich schnell bei meiner Familie sein. Meine Töchter wollen im Urlaub jetzt übrigens auch mal zelten.