
Vor einigen Monaten schrieb mir ein Leser zu dem Editorial „Hoffnung auf eine Wohnung“, er könne nicht nachvollziehen, warum darin nur die bayerische CSU im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft „etwas abfällig“ erwähnt wird, und ob denn SPD und Grüne nichts damit zu tun hätten. Konkret ging es um den Verkauf eines Grundstücks in der Münchner Innenstadt an den Apple-Konzern, das vorher dem Freistaat Bayern gehörte. Über den Verkauf, statt über eine Vergabe im Erbbaurecht, hat die bayerische CSU-Landesregierung entschieden, dieses Mal, man glaubt es kaum, mit der Zustimmung der Landes-SPD. Nun ist es aber so, dass bei den Entscheidungen der Politik in Bayern Grüne und SPD sonst kaum beteiligt sind, denn die Mehrheit liegt nun mal seit Jahrzehnten bei der CSU, die, wie kleine Kinder es gern benennen, die „Bestimmer“ sind, egal ob und mit wem sie in Bayern koalieren. Das müsste doch die Frage des Herrn beantworten, der in seiner Mail bedauerlicherweise noch schrieb, dass er und sein Freundeskreis den Kauf der Zeitschrift aus Verärgerung für einige Zeit eingestellt hätten. Bezahlbarer Wohnraum vor allem in Großstädten ist Mangelware und deshalb kommen immer mehr Menschen in existenzielle Nöte. Das hat seine Ursachen nicht nur, aber eben auch in den Entscheidungen von Politikerinnen und Politikern auf Bundes- und Landesebene. Die kann man nicht nur, sondern muss sie kritisieren, sachliche Argumente dafür gibt es. In Bayern wird am 6. Oktober 2023 gewählt, das ist ein guter Grund, bei den Parteien und den Personen, die für den Landtag kandidieren, genau hinzuschauen und nachzufragen: Mit welchen Themen treten sie an? Haben sie eine Vorstellung davon, wie die Menschen in Bayern leben, auf dem Land und in den Großstädten? Zeigen sie Verständnis dafür, dass es vielfältige Lebensweisen gibt, die, wenn sie anderen nicht schaden, Platz brauchen? Haben sie gute und umsetzbare Ideen, altbekannte Probleme zu lösen? Wie sprechen Politiker über Kollegen aus anderen Parteien, persönlich abwertend oder nicht? Unsere Demokratie lebt doch von Gesprächen und kontroversen Diskussionen, auch wenn es einem manchmal zu viele sind. Manche sagen, es sei ein gutes Zeichen für eine Gesellschaft, wenn unterschiedliche Positionen öffentlich bestehen und diskutiert werden, denn das würde bedeuten, dass es eben keine(n) Bestimmer mehr gibt, die für alle festlegen können, was gilt. Ich würde mich freuen, wenn der Leser, der uns den Brief geschrieben hat, wie Herr K. handeln würde, ein langjähriger Förderer und treuer BISS-Leser. Herr K. geht, wenn er die BISS gekauft hat, mit dem Exemplar in der Hand zu vorbeigehenden Passanten und sagt: „Ich habe gerade die BISS gekauft, kaufen Sie doch auch eine!“
Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin