Schade

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

Von Marioara Cirpaci

Mehr als fünf Jahre lang habe ich immer samstags vor einem Supermarkt in Bogenhausen die BISS verkauft. Doch an einem Samstag gegen zehn Uhr kam ein Mann, den ich schon oft gesehen hatte, als er herumfliegende Papiere einsammelte. An diesem Morgen schritt er auf mich zu und gab mir ziemlich ruppig zu verstehen, ich solle verschwinden. Nie zuvor hatte er mit mir gesprochen und nun ging er mich plötzlich so an. Oft hatte ich auch den Chef des Supermarkts vorbeigehen sehen, auch von ihm habe ich nie etwas vernommen, woraus ich hätte schließen können, dass ich nicht willkommen bin. Darum fragte ich den Mann, warum ich gehen solle. Er sagte, weil er das wolle. Ich sagte nein, das mache ich nicht. Daraufhin nahm er meinen Korb, in dem außer den BISS-Zeitungen auch mein Geldbeutel, mein Ausweis, mein Handy und eine Wasserflasche waren, und verschwand damit im Lager des Supermarkts mit den Worten, ich hätte hier nichts zu suchen. Ich hingegen blieb an meinem bisherigen Verkaufsort auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt stehen. Ein junges Paar sah, dass ich weinte, und erkundigte sich, was passiert sei. Als die beiden erfuhren, was geschehen war, gingen sie mit mir zum Infostand des Supermarkts. Ich war ganz aufgelöst, zum Glück halfen mir die beiden jungen Leute und sprachen mit der Frau dort. Als ich den Mann beschrieb, der mich rauswerfen wollte, sagte man mir, dass es sich um den Hausmeister handeln müsse. Die Frau vom Infostand rief ihn an und redete mit ihm. Er sagte, er sei nicht mehr im Haus und komme erst um 19 Uhr wieder zurück, dann könne ich meinen Korb wiederhaben. Natürlich war ich nicht einverstanden, denn ich wollte nicht den ganzen Tag warten, ohne etwas zu verkaufen. Ich fragte am Infostand, was ich tun solle. Man riet mir, die Polizei zu rufen. Mir wäre es allerdings lieber gewesen, ich hätte sofort meinen Korb erhalten. Schließlich rief das junge Paar die Polizei an, denn ich hatte ja kein Telefon mehr. Nachdem die Polizisten eingetroffen waren und sich meine ganze Geschichte angehört hatten, telefonierten sie mit dem Hausmeister. Sie forderten ihn auf, den Korb herauszurücken: Er hätte kein Recht gehabt, mir meine Sachen einfach wegzunehmen. Daraufhin erklärte sich der Hausmeister bereit, jemanden mit einem Schlüssel vorbeizuschicken. Nach einer Stunde tauchte tatsächlich ein junger Mann auf, holte den Korb und übergab ihn mir. Mittlerweile war es schon halb sechs geworden. Ich nahm den Korb und fuhr nach Hause. Ich erzähle diese Geschichte, damit meine Kunden und Kundinnen erfahren, warum ich samstags nicht mehr dort bin, wo sie es gewohnt waren. Auch möchte ich mich sehr bei ihnen bedanken, dass sie so treu die Zeitschrift gekauft haben. Gern würde ich wieder vor diesem Supermarkt verkaufen und weiß bis heute nicht, warum ich das plötzlich nicht mehr darf. Schade.