
Das Titelbild dieser Ausgabe zeigt „Tom“, fotografiert von Julian Shreddy Elbel, einem der beiden Gewinner des beim BISS-Foto-Award ausgelobten Sonderpreises für junge Fotografinnen und Fotografen unter 25 Jahren. Man sieht, wie ein Mann die Münzen in seiner Hand zählt. Es sind nicht sehr viele und er
wird sich genau überlegen müssen, wofür er das Geld ausgeben kann. Das ist bei unseren Verkäuferinnen und Verkäufern erfreulich anders, da klimpern die Münzen oft gut gelaunt in den Hosentaschen. Ich höre das gern, weil ich weiß, da hat jemand Geld, der vorher keines oder grundsätzlich zu wenig hatte. Überhaupt kann Geld viel bewirken, etwa Miete, Heizung und Strom, Lebensmittel, Kleidung, Medikamente, Zahnersatz und vieles mehr bezahlen zu können. Aber BISS-Verkäufer gewinnen nicht nur finanziell, sondern sie begegnen beim Verkaufen ihren Mitmenschen. Sie haben es ein bisschen besser als andere Menschen, die ebenfalls von Armut und Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind. Denn BISS-Verkäufer haben die Münchnerinnen und Münchner, die sie anerkennen und wertschätzen, ihnen ihre Aufmerksamkeit schenken, sie freundlich grüßen und sogar die Zeitschrift kaufen. Kürzlich wurden im Amt für Wohnen und Migration die ersten Ergebnisse der Studie „Obdachlose Menschen auf der Straße in München“ vorgestellt. Dazu wurden in einer Winter- und einer Sommerzählung diejenigen obdachlosen Menschen gezählt, die am späten Abend am Tag der Zählung innerhalb des Mittleren Rings im Freien anzutreffen waren und beispielsweise keinen Schlafplatz in einer der Notunterkünfte ansteuerten. „Schlafen Sie heute Nacht draußen?“, diese Frage wurde von allen Befragten bejaht. Als die Ergebnisse anschließend in der Runde diskutiert wurden, waren sich die anwesenden Expertinnen und Experten der Münchner Wohnungslosenhilfe einig, dass insbesondere die sogenannten niedrigschwelligen Hilfen stark nachgefragt werden. Das sind direkt zugängliche Angebote, bei denen der Hilfebedürftige ohne telefonische oder gar Online-Voranmeldung kommen kann und jemanden zum Reden hat, der sich seiner Nöte annimmt, wie bei der Bahnhofsmission, Schiller 25, St. Bonifaz und einigen offenen medizinischen Hilfen auch für Personen ohne Krankenversicherung. Wenn an Tagen wie heute bei uns im Büro „lebhafter Geschäftsbetrieb“ herrscht, also sehr viele Menschen in vielen Sprachen mit- und durcheinanderreden, telefonieren, Zeitschriften zählen und nebenbei noch unsere Perconta-Münzzählmaschine rattert, dann freut mich das, weil ich sehe und sogar höre, wie zugänglich wir für sozial benachteiligte Menschen sind.
Herzlichst

Karin Lohr, Geschäftsführerin