Mit Begleitung durch die Stadt

München ist nicht barrierefrei. Denn es gibt viele Hindernisse für Menschen mit Behinderung. Zum Beispiel Baustellen, hohe Bordsteine oder kaputte Rolltreppen und Aufzüge.

63 Prozent der Bus-Haltestellen im Stadtgebiet sind nicht barrierefrei. Das heißt zum Beispiel, dass der Höhenunterschied zwischen Straße und Bus-Einstieg zu groß ist. Und die alten Busse lassen sich nicht absenken. Für Menschen mit Behinderung heißt das: Sie können mit Bus und Bahn nicht alleine durch die Stadt fahren. Freunde oder Familie haben nicht immer Zeit, um zu helfen. Oder man möchte sie auch nicht jedes Mal fragen. Und Taxi-Fahrten sind teuer.

Aber es gibt seit 2015 eine tolle Unterstützung:

den kostenlosen Bus & Bahn Begleit-Service, kurz BBS.

3 Vollzeit-Arbeitende, 14 frühere Langzeit-Arbeitslose und 6 Ehrenamtliche arbeiten dort. Sie alle sind gut geschult und wissen, wie sie Menschen mit Behinderung unterstützen können.

Fred Habisch arbeitet beim BBS. Er hat in mehreren Schulungen gelernt, wie er zum Beispiel blinden Menschen den Weg zeigen kann. Er begleitet zum Beispiel Susanne Lipp, eine Frau mit einer Seh-Behinderung. Er hakt sie unter und sagt: „90 Grad rechts, dann einen großen Schritt.“ So kann sich Susanne Lipp gut orientieren und sichere Schritte machen.

Es sind blinde Menschen und Menschen mit einer Sehbehinderung, die den Begleit-Service nutzen. Aber die meisten sind Rollstuhlfahrende und auch viele Menschen mit Rollator.

Sie brauchen den Begleit-Service häufig für Arzt- und Behörden-Besuche, Arbeitswege und alltägliche Erledigungen. Die meisten von ihnen sind im Rentenalter und haben eine körperliche Behinderung. Manche haben auch seelische Probleme. Sie fühlen sich unsicher in Bus und Bahn und brauchen Hilfe.

Diana Echternacht nutzt den Begleit-Service fast 13-mal in der Woche. Sie hat Multiple Sklerose, eine Nerven-Erkrankung. Sie kann kaum noch gehen und sehen. Trotzdem geht sie reiten, macht Kraft-Training, besucht Freunde und fährt zur Therapie. Die Mitarbeitenden vom Begleit-Service fahren mit ihr Aufzug und helfen ihr in Bus und Bahn. Sie lenken sie sicher durch die Fußgänger und Autos hindurch. Diana Echternacht sagt: „Ich bin dafür wahnsinnig dankbar. Ohne diese Hilfe könnte ich keinen Sport machen und nichts.“

Der Arbeitskreis im Münchner Behinderten-Beirat hatte damals die Idee zu dem Begleit-Service. In Berlin gab es so etwas schon, und so starteten sie damit auch hier in München.

Das Referat für Arbeit und Wirtschaft setzt es mit dem Träger Katholischer Männerfürsorge-Verein um. Mit dabei sind auch das Jobcenter und die MVG, die Münchner Verkehrs-Gesellschaft.

Letztes Jahr wurden fast 7.000 Begleit-Fahrten gebucht. Es gibt mehr als 700 Stamm-Kund*innen. Aber mehr als 700-mal konnte der Begleit-Service eine Begleitung nicht machen und musste absagen.

Petra Helsper ist die Chefin vom Begleit-Service. Sie ist Sozialpädagogin und hat früher mit Sucht-Kranken gearbeitet. Sie sagt: „Wir würden gern deutlich mehr machen.“

Aber es fehlen Mitarbeitende. Momentan gibt es noch 3 freie Arbeits-Stellen.

Man kann beim Begleit-Service arbeiten, wenn man mindestens 6 Jahre lang Arbeitslosen-Geld II bekommen hat. Und man sollte körperlich etwas fit sein und mit Menschen gut umgehen können. Es ist auch gut, wenn man sich etwas mit Computer und Internet auskennt. Petra Helsper sagt:

„Unsere Mitarbeitenden haben auf dem Arbeitsmarkt viele schlechte Erfahrungen gemacht. Aber hier können sie wachsen. Sie fühlen sich gebraucht und werden wieder selbstbewusst.“

Und die Menschen mit Behinderung können überall hinkommen. Es ist ein Gewinn für beide Seiten.

Das Münchner Sozial-Referat hatte für dieses Jahr Geld versprochen: für 2 neue Vollzeit-Arbeitsplätze. Leider gab es dann doch kein Geld, weil die Verwaltung in München dieses Jahr mehr als 180 Millionen Euro einsparen muss. Der Arbeitskreis vom Behinderten-Beirat findet das falsch. Brigitte Neumann-Latour vom Behinderten-Beirat sagt: „So kann man auch eine gute Sache kaputt machen. Denn wenn der Begleit-Service einer Person 2-mal hintereinander absagt, dann wird sich die Person wahrscheinlich nicht noch einmal melden.“ Dabei haben Menschen mit Behinderung das gleiche Recht, überall hinzukommen und mitmachen zu können. Wie Menschen ohne Behinderung. Das steht in der UN-Behindertenrechts-Konvention, die Deutschland im Jahr 2009 unterschrieben hat. Brigitte Neumann-Latour sagt: „Wenn ich eine Körper-Behinderung habe und mir kein Taxi leisten kann: Dann bin ich abgeschnitten vom Leben.“ Deshalb fordert sie die Stadt München auf, so etwas wie den Begleit-Service stärker zu unterstützen. Sie sagt:

„Es heißt immer, dass die Menschen mit Behinderung der Stadt am Herzen liegen. Aber dann muss sich die Stadt auch politisch für die Menschen einsetzen.“

Alle Infos zum Bus & Bahn Begleit-Service: https://kmfv.de/was-wir-tun/angebote/bus-und-bahn-begleitservice/

Original-Text von Benjamin Emonts

Zusammenfassung der wichtigsten Infos in Einfacher Sprache von Verena Reinhard, www.einfachverstehen.de

Fotos von Benjamin Schmidt