Meine trockene Zeit

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Toni Menacher


Eigentlich verliefen die letzten sechs langen Monate überraschend gut. Ich hatte keinen Rückfall. Sehr geholfen hat mir dabei die regelmäßige Teilnahme an den Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA). Als Erstes möchte ich erzählen, warum ich mich für diese Selbsthilfegruppe entschieden habe. AA wurde von zwei hoffnungslosen Säufern in den 30er-Jahren in den USA gegründet. Sie stellten fest, dass sie nicht trinken mussten, wenn sie miteinander redeten. Bei AA gibt es keine Anwesenheitsliste oder -pflicht und auch keine Mitgliedschaft. AA finanziert sich ganz allein aus Spenden bei den Meetings. AA folgt einem Prinzip: Man kann etwas von sich erzählen, muss aber nicht. Bei den Treffen gibt es keine Diskussion, sondern man kann von seinen Erlebnissen berichten oder aber der von uns gewählte Gruppensprecher schlägt ein Thema vor, zu dem man einen Beitrag leisten kann, z. B. zu „Suchtdruck“ oder zu „Rückfall“.
Dabei werden keine „klugen“ Ratschläge gegeben. Bei den AA ist es auch üblich, sich mit Vornamen anzusprechen und sich zu duzen. Aber auch private Gespräche vor und nach dem Meeting tun mir sehr gut. Ich habe zwei für mich optimale Gruppen gefunden, die sich jeweils einmal die Woche treffen. In dem Obdachlosenheim, in dem ich jetzt wohne, halte ich mich von Mitbewohnern, die Alkohol trinken, fern. Ich habe Glück, dass ich mir ein Doppelzimmer mit einem Mann teile, der auch nicht trinkt und voll berufstätig ist. Nur selten gehe ich in Gaststätten oder Ähnliches, um nicht in Versuchung zu kommen. Ich muss zugeben, dass ich einige Male einen starken Suchtdruck hatte. So verkaufte ich regelmäßig vor der Bürgersaalkirche in der Fußgängerzone. Mein Blick fiel dabei direkt auf einige Biertische vor einem Restaurant. Als ich einmal mehrere Gäste mit Weißbier sah, was früher mein Lieblingsgetränk war, hatte ich das starke Bedürfnis, selbst eins zu trinken. Ich entschloss mich, lieber woanders zum Verkaufen hinzugehen. Glücklicherweise war am gleichen Abend zufällig ein AA-Meeting. Mir tat es unwahrscheinlich gut, darüber zu reden. Ich möchte mich bei meiner Kundschaft entschuldigen, dass ich viel von meinen Einnahmen zur Befriedigung meiner Sucht verwendet habe! Ich kann jeden verstehen, der nicht mehr bei mir kauft. Ich kann nur eins versprechen: Ich werde alles dafür tun, dass ich trocken bleibe.