Meine frühere Arbeit

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Solomon Vantu

Meine Familie in Rumänien war weder arm noch reich. Immerhin war es möglich, dass ich bis zur elften Klasse in die Schule gehen konnte. Aber als meine Mutter schwer krank wurde, musste ich arbeiten, damit die Familie genug Geld hatte – ich war dafür zuständig, dass meine Mutter, mein kleiner Bruder und meine Schwester und ich genug Essen auf dem Tisch hatten, weil mein Vater nicht da war. In Rumänien ist das normal, da arbeiten Kinder ab 14 Jahren öfter, manchmal, wenn sie kräftig sind, schon ab 13 Jahren. Das war unschön: Ich habe bis mittags Unterricht gehabt und bis nachts um zwölf Uhr gearbeitet. Ich habe auf einem großen landwirtschaftlichen Hof geputzt, den Tieren Gras gegeben, die Milch abgeholt und mit zwei Eseln ins Dorf transportiert. Ich habe auch um die 40 Pferde betreut, auf die Weide geführt und dafür gesorgt, dass sie fressen. Das Gleiche auch mit Schafen. Besonders anstrengend war die Arbeit im Winter. Nicht, weil es so kalt war, sondern, weil es mehr zu tun gab. Wenn die Tiere viel draußen sind, fressen sie selbst, man muss weniger putzen. Aber im Winter muss man manchmal die Tiere waschen und das Futter bereitstellen. Auch der Chef war nicht wirklich nett, er war hochnäsig, oft hat er seine Mitarbeiter nicht pünktlich bezahlt. Weil er nicht viel bezahlen wollte, hat er vor allem Kinder beschäftigt. Verdient habe auch ich mit der Arbeit nur sehr wenig Geld, das waren rund 80 Euro im Monat. Diesen Job hatte ich von meinem 14. bis 20. Lebensjahr. Weil ich so viel gearbeitet habe, hatte ich keine Zeit, für die Schule zu lernen. Ich wurde die ganze Zeit von den Lehrern geschlagen, die haben gefragt: „Warum hast du nicht gelernt?“ Ich hätte schon Lust gehabt, zu lernen, aber es war auch unangenehm, in die Schule zu gehen: Ich hatte kaum Klamotten, habe mir ein Paar Schuhe mit meinen Geschwistern geteilt und habe nicht gut gerochen. Gekündigt habe ich erst, als ich mit 19 Jahren beschloss, nach Deutschland zu gehen. Danach wurde alles besser.