Mein Leben auf dem Wasser

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Ion Plesa

Geboren bin ich in einem kleinen Dorf im Süden von Rumänien. Von meinem siebten bis zu meinem 15. Lebensjahr war ich in einem Kinderheim. Warum genau, weiß ich nicht – aber damals haben sich meine Eltern scheiden lassen und das war wohl der Grund. In Rumänien sind acht Schulklassen Pflicht, am Ende hat man einen Abschluss, der dem Realschulabschluss hier ähnelt. Danach habe ich mir überlegt, was ich weiter machen will: Gehe ich weiter in die Schule oder lerne ich einen Beruf? Ich habe mich für einen Beruf entschieden und habe mich zum Matrosen ausbilden lassen. Bei uns in der Heimat ist ein großer Hafen, der hat mich schon als Kind fasziniert, dort haben wir mit der Schule Ausflüge hin gemacht. Es war mein Traum, dort zu arbeiten – und Gott hat mir meinen Wunsch erfüllt: Vier Jahre hat die Ausbildung gedauert, ich war auf dem Schiff, habe navigieren gelernt und danach habe ich noch zwei Jahre Praxis gesammelt. Drei Monate habe ich das gemacht, als Anfänger – und dann wurde ich schon zum Militär einberufen. Da war ich so ungefähr 21 Jahre alt. Fast zwei Jahre dauerte der Dienst beim Militär. Keine zwei Tage nach der Armee habe ich wieder als Matrose angeheuert. Ich war auf dem Schwarzen Meer unterwegs, wir sind auch die Donau entlanggefahren, bis Passau sind wir gekommen. Wir haben Waren transportiert. Über die Jahre war ich viel auch am Schwarzen Meer direkt im Einsatz, bei den Serben und den Bulgaren. Ich habe große Schiffe, die ankamen, in den Hafen geschleppt. Ich selbst habe nie daran gedacht, einfach auf einer der Reisen außerhalb von Rumänien zu bleiben, nicht einmal zu Zeiten des Ceausescu-Regimes. Aber als in Rumänien Brot und Fleisch knapp wurden, haben ein paar Kollegen mir vorgeschlagen, das zu tun. Der Plan war, nach Serbien zu fahren, dort das Benzin zu verkaufen und das Geld zu nutzen, um weiter nach Italien zu fahren. Die sind tatsächlich geblieben, ich weiß allerdings nicht, wie weit sie es geschafft haben. Ich dagegen habe mit einem Teil der restlichen Crew das Schiff zurückgebracht, das Benzin war mir zum Glück geblieben. Zum einen war mir das Geld nicht so wichtig, ich liebe mein Land und in Rumänien war ich angesehen, hatte einen Beruf, eine Sicherheit. Und ich wusste ja auch gar nicht, welche Perspektiven ich in Serbien haben würde. Zum anderen hatte ich Angst, erwischt zu werden, schon vorher in Rumänien, aber auch, wenn ich von den Serben geschnappt und zurück nach Rumänien geschickt worden wäre – das hätte drastische Konsequenzen haben können. Ich mochte die Arbeit und das Leben war schön. Aber es war einsam. Ich war viel allein und von zu Hause weg. Ich hatte zwar Kollegen, aber die Familie ist natürlich etwas anderes. Meine Mutter, mein Bruder haben mir gefehlt. Und ich fand es auch schade, selbst keine Familie zu haben. Ich hatte mehrere Gelegenheiten, zu heiraten, habe mich aber dagegen entschieden, weil das für die Frau nicht schön gewesen wäre – ich war ja immer mehrere Monate am Stück weg gewesen, schließlich dauert es, wenn man mit sieben Stundenkilometern vom Schwarzen Meer nach Passau fährt. Wenn wir dann noch Kinder gehabt hätten, hätte die Frau alles alleine machen müssen. Insgesamt habe ich 13 Jahre als Matrose gearbeitet, ungefähr bis 1998.