„In München habe ich mich
gleich verliebt“

Shifo Karimova war acht Monate lang als Bundesfreiwillige bei BISS

Shifo Karimova

Von
ANNELIESE
WELTHER

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MAGDALENA
JOOSS

Telefonanrufe entgegennehmen, Zeitschriften an Abonnenten schicken, Verkaufsplätze besichtigen, an Buchveröffentlichungen mitwirken, das waren einige der Aufgaben, die Shifo Karimova in ihrem Bundesfreiwilligendienst (BFD) im BISS-Büro zu erledigen hatte. Am liebsten aber organisierte sie die BISS-Begegnungen, bei denen interessierte Besucher die Gelegenheit bekamen, sich mit einem Verkäufer oder einer Verkäuferin zu unterhalten. Acht Monate lang dauerte Shifos Einsatz bei BISS, die meisten der sogenannten Bufdis sind ein Jahr lang an einer Stelle. „Der BFD ist auf maximal 18 Monate begrenzt“, erklärt die lebensfrohe, junge Frau, „und bevor ich zu BISS kam, war ich bereits zehn Monate lang in einer Krippe in Hochdorf gewesen.“ Dort konnte sie ihren BFD nicht fortsetzen, da die Kita schließen musste; in der schwäbischen 1.000-Seelen-Gemeinde gab es nicht genug Kinder. So sah sich die 24-Jährige gezwungen, sich nach einer neuen Stelle umzuschauen.

Dabei war es alles andere als einfach, überhaupt auf ihre erste Einsatzstelle zu gelangen. Angefangen zu suchen hat sie noch in ihrem Heimatland Tadschikistan, das in Zentralasien liegt und Grenzen zu China und Afghanistan besitzt. Schon als Kind hat sich Shifo für Computer interessiert und aus diesem Grund später Wirtschaftsinformatik studiert. Anschließend hat sie ein Jahr lang im Ministerium für Geologie und Wirtschaft gearbeitet. „Dass ich bereits ein fertiges Studium und Berufserfahrung hatte, hat mir geholfen“, sagt sie. „Die Aufgaben, die ich während des BFD zu bewältigen hatte, waren einfach für mich. Das Schwierigste war die deutsche Sprache.“ Shifo hat fünf Monate vor ihrer Ausreise in einer Sprachschule begonnen, Deutsch zu lernen. Für den Erhalt eines Arbeitsvisums musste sie in der Botschaft ein kleines Vorstellungsgespräch auf Deutsch führen. Insgesamt hat es ein ganzes Jahr gedauert, bis Shifo ihr Visum in den Händen hielt. Allein schon auf einen Termin in der deutschen Botschaft in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe muss man einen bis anderthalb Monate warten. Zum Termin müssen Schulabschlüsse und Diplome in deutscher Übersetzung vorgelegt werden, genauso wie Nachweise über Versicherungen und Unterkunft in Deutschland. Denn nur wer eine gesicherte Unterbringung hat, darf als Ausländer in Deutschland einen BFD absolvieren. Gerade das aber macht es für Menschen aus dem Ausland schwierig, eine Stelle zu erlangen, denn nicht viele Einsatzstellen bieten auch eine Unterkunft an, in der Regel sind das nur Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime. In Hochdorf wohnte Shifo zunächst bei ihrer Chefin zu Hause und dann bei einer der Familien, deren Kind sie betreute. Bei BISS ist sie glücklich, eine der seltenen Stellen in einem Büro gefunden zu haben. In Tadschikistan sind Ausländer eine Seltenheit. Wenn man als Fremder etwas benötigt, kann man sich der engagierten Unterstützung der Tadschiken sicher sein. „Diese Hilfsbereitschaft habe ich bei BISS auch erlebt“, erzählt Shifo. „Ich fühlte mich gleich daheim hier.“ Überglücklich war sie, als sie erfuhr, dass BISS einen gut gelegenen Wohnplatz, nur zehn Minuten vom Büro entfernt, für sie gefunden hatte. Bufdis müssen sorgfältig wirtschaften, denn sie erhalten neben Zuschüssen zur Miete und Verpflegung nur ein – tatsächlich offiziell sogenanntes – Taschengeld, das die Summe von 438 Euro nicht überschreiten darf. Davon in München zu leben erscheint schlichtweg unmöglich. „Am Ende des Monats ist das Geld auch weg. Allerdings hilft es, dass man als Bufdi den Münchenpass erhält, mit dem vieles etwas günstiger ist. Außerdem habe ich von BISS ein Ticket für den öffentlichen Verkehr gezahlt bekommen. Dann geht es schon“, erklärt Shifo.

In München hat sich die junge Tadschikin gleich verliebt. Aber auch die Zeit in Hochdorf wird sie nie vergessen, dort, wo sie „die ersten Schritte in Deutschland“ machte. Anfangs war alles sehr fremd und so ganz anders als in Tadschikistan. Doch sie fand stets Menschen, die ihr geholfen haben. Bereits in der deutschen Botschaft erweckten die Beamten trotz aller bürokratischen Hürden den Eindruck, dass man sich freue, dass sie nach Deutschland gehen möchte. Selbst in der völlig überlasteten Ausländerbehörde in München hat sie bislang nur nette und hilfsbereite Mitarbeitende getroffen. Weniger überfüllt war es in der schwäbischen Provinz. „Außer mir gab es dort vielleicht zwei weitere Menschen aus dem Ausland im ganzen Ort“, berichtet Shifo. „In der Ausländerbehörde im nahe gelegenen Biberach war nichts los, es ging alles schnell.“ Während die Bedingungen in der Behörde optimal waren, war es sonst auf dem Land für sie recht eintönig. „Ab 19 Uhr fuhr kein Bus mehr, und es lebten fast nur ältere Menschen dort, kaum Leute in meinem Alter. Ich hatte keine Freunde.“ Ganz anders in München, wo es zahlreiche Möglichkeiten gibt, Anschluss zu finden. Auch der Kontakt mit den anderen Bufdis, der durch die verpflichtenden Seminare entsteht, hat Shifo dabei geholfen Freunde zu gewinnen.

Sie schätzt, dass etwa 60 Prozent der Bufdis, die sie kennt, aus dem Ausland kommen. Sie hält den BFD für einen idealen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. „Man kann die deutsche Sprache und Kultur erlernen, während man darauf wartet, dass die Schulabschlüsse und Diplome anerkannt werden.“ Und das kann dauern. Denn was sie an Deutschland am meisten überrascht hat, ist die schwerfällige Bürokratie. Dass es bei der deutschen Botschaft lange Wartezeiten gab, führte sie auf den Ansturm ihrer ausreisewilligen Landsleute zurück. Jedoch, dass Behörden in Deutschland auch so überlastet sein könnten, hielt sie nicht für möglich. „Es wäre wünschenswert, wenn alles viel zügiger gehen würde.“ Die Erfahrung hat sie gelehrt, dass man immer dranbleiben muss, um bei der Ausländerbehörde etwas zu erreichen, und so ruft sie alle zwei bis drei Wochen an, um rechtzeitig einen Termin zu ergattern für die Verlängerung ihres Arbeitsvisums. Die wird sie auch brauchen, denn für ihre Zeit nach dem BFD hat Shifo bereits einen Job bei einer Consultingfirma sicher. Für die Zukunft wünscht sie sich Gesundheit sowie viel Kraft und Glück im Beruf. Für die BISSler war Shifo die erste Bundesfreiwillige, und das hat auf Anhieb so gut geklappt, dass sie jetzt schon gespannt sind und sich freuen, wer zukünftig kommen wird.