EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Valeria Bisioc
Ich war auf dem Weg zu meiner Schwester, als ich an der Bushaltestelle eine Durchsage hörte, in der man Arbeit in der Firma Sanex anbot. Das war eine Fliesenfabrik in meiner Heimatstadt Klausenburg in Rumänien. Ich stellte alle meine Papiere zusammen und bewarb mich. Aufgrund meiner guten Schulbildung – ich war elf Jahre zur Schule gegangen und hatte einen Abschluss – wurde ich genommen. Allerdings wies mich die Meisterin darauf hin, dass ich innerhalb von 14 Tagen alle Handgriffe erlernt haben müsste, sonst könnte ich nicht hierbleiben. Es war mir klar, dass ich das nicht leisten konnte, also sprach ich mit der Meisterin, die für mein Fließband zuständig war. Ich sagte ihr, dass ich versuchen würde, mir innerhalb eines Monats alle Fertigkeiten anzueignen. Sie gewährte mir diese Zeit. Danach arbeitete ich so gut wie andere, die ein Jahr oder länger da waren. Ich war so gut, dass die Meisterin alle, die neu anfingen, zu mir brachte, damit ich sie anlernen konnte. Bis zu 10.000 Platten schaffte ich in acht Stunden. Alle halbe Stunde musste man die Farben wiegen. Denn wenn sich die Temperatur änderte, wirkte sich das auf den Anteil der einzelnen Komponenten und das Gemisch aus. Die Meisterinnen kontrollierten morgens, ob unsere Kittel ganz weiß waren, und etwa alle zwei Stunden, ob die Fliesen alle den gleichen Farbton hatten. Man musste immer ganz aufmerksam und flink sein, um zum Beispiel Risse in den Fliesen zu erkennen, und diese dann schnell vom Band nehmen. Der Druck war groß, was für mich aber okay war, die Arbeit machte mir viel Spaß und war gut bezahlt. Ich erhielt etwa 300 Euro im Monat, wovon man in Rumänien damals ganz gut leben konnte. Als mein Sohn eingeschult wurde, konnte ich dem Druck jedoch nicht mehr standhalten. Ich arbeitete im Schichtdienst, eine Woche vormittags und eine Woche nachmittags. Wenn ich dann von 14 bis 23 Uhr in der Fabrik war, konnte ich nachmittags nicht auf meinen Sohn aufpassen. Darum ließ ich ihn bei einer Nachbarin, doch sie rief mich oft an, dass er nicht auf sie hören würde. Meine Arbeit verschlechterte sich und ich musste aufhören, um mich um mein Kind zu kümmern. Meine Meisterin sagte zu mir: „Vali, was soll aus dir werden, wenn du nicht mehr hier arbeitest? Du wirst es schwer haben.“ Sie sollte recht behalten. Neun Monate war ich arbeitslos, dann bekam ich einen Reinigungsjob im Kaufland. Allerdings verdiente ich nur halb so viel wie in der Fabrik. Damit konnte ich mich nicht über Wasser halten und verließ 2012 Rumänien.