EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Waldemar Niklaus
Eigentlich war ich mit der Schule fertig, hatte nach dem Ende der achten Klasse meinen Schulabschluss gemacht, wie es in Kirgisistan möglich ist. Anschließend bin ich jedoch mit meiner Familie als Spätaussiedler nach Deutschland ausgereist. Nach den ersten vier Tagen, die wir im Aufnahmelager Friedland waren, habe ich mit meinen Eltern und Geschwistern in der Stadt Norden in Ostfriesland gelebt. Obwohl ich die Schule schon beendet hatte, besuchte ich dort die letzte Klasse einer Hauptschule, um Deutsch zu lernen. Ich sprach zwar schon Deutsch, aber es war noch nicht so, wie die Leute hier im Land es taten. Vier andere Russlanddeutsche gab es noch in der Klasse, mit ihnen erhielt ich für ein paar Stunden in der Woche zusätzlichen Unterricht. Nach einem Jahr haben wir dann alle zusammen den Hauptschulabschluss gemacht. Kurz vor Ende des Schuljahres unternahm unsere Lehrerin mit uns allen eine Abschiedsfahrt auf dem Schiff.
Für mich war es ein ganz aufregendes und lustiges Erlebnis, da ich noch nie zuvor so was gemacht hatte. Wir sind durch Holland gefahren, haben an Bord gewohnt und selbst gekocht. Die Matrosen spielten Gitarre und unsere Lehrerin hat dazu gesungen. Jeden Abend hielten wir auf einer anderen Insel. Dann durften wir vom Schiff runter und alleine herumlaufen. Es war Sommer, schönes Wetter und die Tage waren lang. Wir sind auf den Inseln herumspaziert, haben alles angeschaut und sind essen gegangen. In unserer Klasse waren Russlanddeutsche und Deutsche zusammen und wir haben uns super verstanden. Zu zwei von meinen Schulkameraden habe ich noch Kontakt. Wenn ich zu meiner Mutter fahre, besuche ich die beiden auch. Eines Abends sind wir wie üblich auf einer Insel ausgestiegen und alle haben sich in verschiedene Richtungen verstreut. Meine Kumpels und ich haben uns die Sehenswürdigkeiten der Insel angeschaut und sind dann zu McDonald’s. Als wir wieder zurückkehren mussten, war das Schiff nicht da! Das war ein Schock! Wir haben alle ein bisschen Angst bekommen. Zum Glück verstanden die holländischen Spaziergänger das, was wir sie auf Deutsch gefragt hatten, und zeigten uns, wo noch eine weitere Anlegestelle war. Dort lag das Schiff dann auch. Alle waren auch noch nicht wieder zurückgekehrt. Nach und nach aber haben auch die anderen zurückgefunden. Schließlich war es eine Insel, da gab es nicht so viel, wo man sich verlaufen konnte.
Unsere Lehrerin hat über unser Erlebnis gelacht. Am letzten Nachmittag unserer Klassenfahrt hat das Schiff auf der Rückfahrt eine kleine unbewohnte Insel angesteuert. Dort machten wir ein Lagerfeuer und aßen gemeinsam. Danach sind wir nach Groningen gefahren und mit dem Bus zurück. Diese Fahrt war wirklich schön gewesen, einfach unvergesslich.