Einbürgerung 1. Teil

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Tibor Adamec

Der Streifenwagen hielt neben mir. So was hatten die Polizeibeamten noch nicht gesehen. Wahrscheinlich dachten sie, ich wäre betrunken. Dabei konnten sie kaum mehr irren. Seit meiner Militärzeit in der Tschechoslowakei war ich es gewohnt, jeden Morgen um sechs Uhr aufzustehen und nur in Hosen und mit freiem Oberkörper, selbst bei eisigen Temperaturen, mich warm zu laufen. So joggte ich auch an diesem Morgen in Unterhemd und kurzer Hose bei minus 15°C, als die Polizei mich verwundert anhielt. 60 Jahre lang bin ich Marathon gelaufen, eine Zeitlang in 2 Stunden und 36 Minuten. Mit mittlerweile 85 Jahren habe ich mit dem Laufen aufgehört. Mein Leben lang bin ich nie ernsthaft krank gewesen. Ich bin der dienstälteste BISS-Verkäufer und war in diesen 29 Jahren niemals krankgeschrieben. Das liegt sicher auch daran, dass ich nicht rauche und keinen Alkohol trinke. Letzteres war der Grund, warum ich damals die Armee der CSSR verlassen habe. Als Sportler war ich ein Gegner des Alkohols, im Gegensatz zu den anderen dort. Bei den feuchtfröhlichen Feiern im Offizierskasino habe ich nicht mitgemacht. Einmal bestellte ich Milch in einer Kneipe, um die Alkoholtrinker zu ärgern, wohl wissend, dass dort keine Milch ausgeschenkt wurde. Meine Enthaltsamkeit kam einem Politoffizier der kommunistischen Partei zu Ohren. Er beauftragte mich, zu ihm nach Hause zu kommen, um sein Radiogerät zu reparieren, da ich den Beruf des Radio-und Fernsehtechnikers gelernt hatte. Als ich in seiner Wohnung war, bot er mir gleich einen Schnaps an, den ich abschlug. Stattdessen trank ich Limonade. Bald schon merkte ich, dass das Radio absichtlich kaputtgemacht worden war. Der Major erzählte mir nun, er hätte mich sechs Monate lang beobachtet, da er sich davon überzeugen wollte, dass ich tatsächlich nichts trank. Er meinte, solche Leute wie mich brauche man bei der Armee, und er werde dafür sorgen, dass ich auf die Akademie käme. Das war überhaupt nicht in meinem Sinn, mit diesem dem Alkohol zugeneigten Haufen wollte ich nichts zu tun haben. So kam es, dass ich aus der Armee desertierte und nach Deutschland floh. 1960 – ich war schon längst nicht mehr in der CSSR – entzog mir der tschechoslowakische Staat die Staatsbürgerschaft. Seitdem bin ich staatenlos. Seit 1958 lebe ich in Deutschland und warte diese Tage auf das Ergebnis meines Einbürgerungsverfahrens. Es ist nicht das erste Mal, dass ich versuche, deutscher Staatsbürger zu werden, und ich hoffe, dass es nun klappt.