„Zu viel? Zu wenig?“ lautete das Motto des BISS-Foto-Awards. 130 Menschen haben teilgenommen. Wir haben die fünf Preisträger*innen gefragt, wie sie sich dem Thema angenähert haben und wie die Fotos entstanden sind.
Interviews GABRIELE WINTER
1 . PREIS BISS-FOTO-AWARD
Adalbert Adaszynski
AUS MÜNCHEN, 69 JAHRE

Wie sind Sie auf den Award aufmerksam geworden?
Eine langjährige Freundin wusste, dass ich mich schon seit Jahren mit dem Thema beschäftige, und hat mich gedrängt, teilzunehmen.
Haben Sie sich vorher schon mit dem Thema befasst?
Ich habe als Kirchenmaler gearbeitet und war in der Heilig-Geist-Kirche als Freskenmaler. Als ich die eines Tages verließ, sah ich davor die Obdachlosen sitzen. Sie sahen meinen Aposteln sehr ähnlich und ich habe gefragt, ob ich Porträts von ihnen zeichnen darf. So habe ich auch ihre Geschichten kennengelernt.
Wie ist das Bild entstanden?
Meine Frau hat mir nach einem Streit ein Flixbus-Ticket nach Trento gekauft. Da sah ich bei der Rückkehr an der Hackerbrücke den Rollstuhl und später den Mann dahinter. Ich habe Kontakt aufgenommen, denn je besser der Kontakt, desto besser die Fotos.
Haben Sie biografische Bezüge zum Thema?
Ich habe selbst mal anderthalb Jahre „Platte gemacht“, hatte aber zum Glück noch ein Auto, in dem ich schlafen konnte.
Haben Sie gedacht, dass Sie mit Ihrem Beitrag eine Chance haben könnten?
Daran hab ich gar nicht gedacht.
Wie ging es Ihnen, als Sie die Benachrichtigung bekommen haben?
Das Thema selbst ist für mich schwierig, deshalb konnte ich mich gar nicht so richtig freuen.
Haben Sie schon Pläne, was Sie mit dem Preisgeld machen wollen?
Ich will mir eine neue Grafikkarte kaufen und eine Aufstiegshilfe für Behinderte für die Münchner Pferdefreunde machen lassen. Damit die dort besser die dringend benötigte Pferdehilfe in Anspruch
nehmen können.
2. PREIS BISS-FOTO-AWARD
Toby Binder
AUS MÜNCHEN, 45 JAHRE

Wie sind Sie auf den Award aufmerksam geworden?
Ich glaube, ich habe es aus dem Kreis der BISS-Redaktion erfahren.
Was hat Sie motiviert, teilzunehmen?
Nachdem ich eh ganz viel mit diesen Themen zu tun habe, dachte ich mir natürlich: Da mache ich mit.
Haben Sie sich vorher schon mit dem Thema befasst?
Im weitesten Sinne sind alle meine Themen im großen Kreis der Sozialdokumentation angesiedelt.
Wie haben Sie das Bild geplant?
Diese Fotos sind schlecht planbar. Ich habe mich dem Thema einfach mit viel Zeit gewidmet und diese beiden älteren Herren haben sich dann angeboten – man durfte zwei Bilder einreichen.
Haben für Sie biografische Dinge eine Rolle gespielt?
Im Gegenteil, ich habe biografisch eigentlich einen ganz anderen Hintergrund und komme aus einer Mittelstands-Familie vom Dorf.
Haben Sie gedacht, dass Sie mit Ihrem Beitrag eine Chance haben könnten?
Ich nehme öfter an Wettbewerben teil, gehe aber nie mit dem Gedanken ran, einen Preis zu gewinnen. Es geht mir eher darum, für wichtige Themen eine Öffentlichkeit zu finden.
Wie ging es Ihnen, als Sie die Benachrichtigung bekommen haben?
Ich habe mich riesig gefreut, dass die Arbeit die Anerkennung bekommen hat.
Haben Sie schon Pläne, was Sie mit dem Preisgeld machen wollen?
Ich wollte es dem Walter zugutekommen lassen, aber er ist schon so oft ausgeraubt worden, dass man da aufpassen muss. Ich versuche, den Leuten, die ich fotografiere, etwas zurückzugeben.
3 . PREIS BISS-FOTO-AWARD
Cornelia Wimmer
AUS DORTMUND, 71 JAHRE

Wie sind Sie auf den Award aufmerksam geworden?
Ich schaue immer mal wieder in die Ausschreibungen für Fotowettbewerbe. Die meisten kommen nicht in Frage hinsichtlich der Thematik oder der erforderlichen Ausrüstung. Bei diesem habe ich gedacht: Das könnte was sein.
Haben Sie sich vorher schon mit dem Thema befasst? Ich beobachte in Dortmund eine wachsende und mittlerweile unübersehbare Wohnungslosigkeit. Ich habe auch versucht, mich dem Thema fotografisch zu nähern, aber zunächst keine überzeugenden Ergebnisse erzielt.
Wie ist das Bild entstanden? Ich habe den Unterschlupf von der Straßenbahn aus zwischen den Gehölzen entdeckt. Man konnte eher erahnen als sehen, dass sich jemand da eine Bleibe eingerichtet hatte. Die auf Zweigen aufgehängten Kleidungsstücke bestätigten das. Ich bin ein paar Mal hingegangen und habe fotografiert. Beim dritten Mal war das Licht optimal. Bilder kann man nur begrenzt planen, Glück und Zufall spielen mit. Insofern ist ein gelungenes Bild auch ein Geschenk. Und man ist glücklich drüber.
Haben Sie gedacht, dass Sie mit dem Bild eine Chance haben könnten? Ehrlich gesagt, ja, schon. Ich war überzeugt von dem Bild, ich hätte es sonst auch nicht eingereicht.
Wie ging es Ihnen, als sie die Benachrichtigung bekommen haben? Ich habe keinen großen Bekanntheitsgrad, insofern habe ich mich sehr gefreut.
Haben Sie schon Pläne, was Sie mit dem Geld machen wollen? Ich hatte die Idee, dem Bewohner ein Zelt zu schenken. – Es wird ja Herbst und Winter, und damit wäre er immerhin etwas besser dran. – Ich habe den Kontakt gesucht, aber ich konnte mich mit ihm sprachlich nicht verständigen. Jetzt verteile ich das, Geld, andere haben es ja nicht weniger nötig: An eine Dortmunder Obdachloseninitiative sowie an eine Initiative die sich für Geflüchtete einsetzt und an die Friedensinitiative, in der ich arbeite. – Kriegsverhinderung ist auch Verhinderung von Obdachlosigkeit.
SONDERPREIS BISS-FOTO-AWARD (GETEILT)
Julian Shreddy Elbel
AUS MÜNCHEN, 20 JAHRE

Wie sind Sie auf den Award aufmerksam geworden?
Die ehemalige Assistentin unserer Klasse an der Kunstakademie hat mich auf den Award aufmerksam gemacht.
Was hat Sie motiviert, teilzunehmen?
Davor habe ich noch nie bei einem Wettbewerb mitgemacht und wollte mal sehen, wie die Resonanzen sind.
Haben Sie sich vorher schon mit dem Thema befasst?
Ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema Obdachlosigkeit und bin immer viel an den Straßen rund ums Sendlinger Tor und den Hauptbahnhof rumgelaufen, habe auf der Straße Schnappschüsse gemacht und bin mit den Leuten in Kontakt gekommen. Mich interessiert diese Parallelwelt, die auf der Straße herrscht. Ich kann in diese Welt eintauchen, aber auch wieder verschwinden.
Wie ist das Bild entstanden?
Ich kannte Tom (vom Bild) schon länger und war mit ihm unterwegs. Als er anfing, sein Geld zu zählen, habe ich ihn gefragt, ob ich ein Foto machen dürfte.
Haben Sie gedacht, dass Sie mit Ihrem Beitrag eine Chance haben könnten?
Ich war da relativ erwartungslos.
Wie ging es Ihnen, als Sie die Benachrichtigung bekommen haben?
Ich war schon überrascht.
Haben Sie schon Pläne, was Sie mit dem Preisgeld machen wollen?
Ich würde gern einen Fotoband verwirklichen mit den Fotos, die ich von Leuten auf der Straße gemacht habe.
SONDERPREIS BISS-FOTO-AWARD (GETEILT)
Ahmad Kousa
AUS SYRIEN, 23 JAHRE

Wie sind Sie auf den Award aufmerksam geworden?
Ich war noch ganz neu in Deutschland und ein Freund erzählte mir davon und meinte, ich würde sicher einen Preis gewinnen.
Was hat Sie motiviert, teilzunehmen?
Erst war ich skeptisch und müde und wollte mein Archiv gar nicht nach passenden Bildern durchsuchen, doch dann kam mir das Bild von Suleiman in den Sinn, das mir sehr passend erschien.
Haben Sie sich vorher schon mit dem Thema befasst?
In meinem Heimatland Syrien herrscht seit dem Krieg viel Armut und Obdachlosigkeit, was ich auch immer wieder mit der Kamera dokumentiert habe.
Wie ist das Bild entstanden?
Das Bild entstand sehr spontan und überhaupt nicht im Voraus geplant. Ich ging durch die Stadt Amouda und eine Frau sprach mich an und wollte, dass ich ihrem Sohn, der das Downsyndrom hat, helfe, indem ich ihn fotografiere. Ich ging zu ihm und fand ihn schlafend und an die Wand gelehnt. Also fotografierte ich ihn und als Suleiman den Verschluss hörte, erwachte er aus dem Schlaf und lächelte in die Kamera, und ich machte ein weiteres sehr schönes Foto von ihm, das ich zu diesem Zeitpunkt nicht veröffentlichte.
Haben für Sie biografische Dinge eine Rolle gespielt?
Mir fällt auf, dass niemand das Leiden der Kinder im Krieg so beleuchtet, wie es sein sollte, und ich möchte nicht, dass die Kinder so leiden, deshalb versuche ich, ihnen auf jede erdenkliche Weise zu helfen.
Haben Sie gedacht, dass Sie mit Ihrem Beitrag eine Chance haben könnten?
Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, zu gewinnen, obwohl mein Freund so überzeugt davon war. Ich hatte schon früher bei einigen Wettbewerben mitgemacht, allerdings mit anderen Themen.
Wie ging es Ihnen, als Sie die Benachrichtigung bekommen haben?
Ich saß im Zug, als ich die E-Mail erhielt, und musste weinen. Und die Leute im Zug starrten mich dann irritiert an.
Haben Sie schon Pläne, was Sie mit dem Preisgeld machen wollen?
Wenn ich wieder reisen darf, möchte ich das Preisgeld dafür verwenden – und für weitere Deutschkurse.