Arbeit ohne Lohn

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

VON Marius Bologa

Mit der Frage, wann und wohin der Zug fahren würde, hatte ich mich gar nicht beschäftigt, als ich, ohne Geld und nicht warm genug angezogen, in den letzten Wagen einstieg. Lediglich aufwärmen wollte ich mich an diesem kalten, verregneten Tag im Spätherbst. Im Abteil schlief ich dann ein. Ich hatte so einiges hinter mir. Elf Monate lang hatte ich mich in der Nähe der rumänischen Stadt Sibiu bei einem Schäfer als Hirte verdingt. Nun hatte ich ihm gesagt, ich würde in vierzehn Tagen gehen und würde gerne mein mir zustehendes Gehalt ausgezahlt bekommen. Er schuldete mir ziemlich viel, denn nur die ersten vier Monate hatte er mir meinen Lohn gegeben. Danach erhielt ich immer nur etwas Taschengeld, das gerade mal für Zigaretten oder ein Päckchen neuer Batterien reichte. Den Rest von meinem Gehalt behielt er ein, damit ich mir was ansparen konnte – so wie auf einer Bank, nur ohne Zinsen. Während der Zweiwochenfrist, die ich ihm gesetzt hatte, war er immer unangenehmer geworden, und am Schluss wollte er das Geld nicht rausrücken. Ich ging zur Polizei, wurde aber gleich wieder abgewiesen. Erst im Nachhinein ging mir auf, dass die Polizisten ja am Wochenende gerne in Zivil beim Schäfer auftauchten und mit ihm Trinkgelage bis in die frühen Morgenstunden hinein veranstalteten. Nicht selten bekamen sie ein geschlachtetes Schaf mit auf den Heimweg. Nach der Abfuhr bei der Polizei war ich, ohne zu wissen, wohin, am Bahnhof gestrandet. In meinem Abteil schlief ich so fest, ich merkte nicht mal, wie der Zug sich in Bewegung setzte. Als ich aufwachte, war ich in Bukarest angelangt, wo ich noch nie zuvor gewesen war. Dort blieb ich acht Monate, fand nur einen schlecht bezahlten Job auf einer Baustelle, hatte keine Wohnung und keine Perspektive. Da sah ich gemeinsam mit zwei netten Kerlen, die ich auf dem Bau kennengelernt hatte, eine Anzeige auf Facebook, die mit Arbeit auf deutschen Abrissbaustellen warb, auch für Ungelernte. Der Transport war gratis. Wir entschlossen uns, das zu machen. Ich kam nach Frankfurt am Main, und anderthalb Jahre ging alles gut. Dann holte uns die Corona-Pandemie ein, und die Bezahlung wurde unregelmäßiger, mein Chef begann uns zu vertrösten. Auch als ich dieses Mal zur Polizei ging, hatte ich wieder Pech. Zwar steckten die Polizisten nicht mit meinem Chef unter einer Decke, dafür war dieser mit dem ganzen Geld in die Türkei durchgebrannt. Weil ich Angst hatte vor den Freunden meines Chefs, die mich und meine Kollegen nachts um zehn aus unserer Wohnung geworfen hatten, verließ ich Frankfurt. Ich kam nach München, wo ich anfangs bei der Caritas wohnen durfte und tagsüber Flaschen sammelte – bis ich auf einen Rumänen traf, der bei BISS arbeitete. Seit ich selbst die Zeitschrift verkaufe, bin sehr zufrieden und froh, dass so viele Menschen sie lesen, so dass ich jeden Monat mein Auskommen habe. Ich bin den Deutschen sehr dankbar für ihre Unterstützung.