Inhalt | Einblicke | BISS gibt Einblicke in die Wohnung von Menschen, in soziale Notlagen und Ateliers von Künstlern.| 6 „Gabriele Space“ Mehr als ein Ort für junge Kreative | 12 Interview: Prof. Christoph Butterwegge im Gespräch | 16 Kinder mit Epilepsie: Integration durch Aufklärung | 19 Nachruf BISS-Verkäufer Manfred Kügler | 20 „BISS-Einblicke“: Ausstellung im Kloster Benediktbeuern | 24 Neustart in der BISS-Jubiläumswohnung | 26 Rückblick mit Ausblick | SCHREIBWERKSTATT | 5 Wie ich wohne | 22 BISS-Verkäufer und Verkäuferinnen erzählen, was sie bewegt | Rubriken | 3 Editorial | 28 Patenuhren | 29 Freunde und Gönner | 30 Impressum, Mein Projekt | 31 Adressen
Monat: September 2024
Artikel in einfacher Sprache
„Man kann sich gegen das Leben nicht absichern“
Schüler*innen mit Epilepsie – sie möchten genauso mitmachen wie alle anderen Schüler*innen
Etwa 100.000 (hundert-tausend) Menschen mit Epilepsie leben in Bayern.
Darunter sind auch viele Kinder und Jugendliche.
Sie möchten auch am Sport-Unterricht oder an Klassen-Fahrten teilnehmen.
Es gibt aber Schulen, die sagen: Es ist zu gefährlich, wenn die Schüler*innen mit Epilepsie mitmachen. Denn die Schulen haben die Verantwortung für alle Schüler*innen.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine Erkrankung der Nerven. Es ist eine der häufigsten Nerven-Erkrankungen auf der Welt. Es ist eine körperliche Erkrankung, keine seelische Erkrankung. Dabei bekommt man plötzliche Anfälle. Zum Beispiel zittert man plötzlich und fällt um. Man bekommt Krämpfe oder wird bewusstlos. Diese Anfälle passieren, weil das Gehirn auf einmal sehr viele falsche Signale schickt. Menschen in jedem Alter können Epilepsie bekommen. Es gibt verschiedene Formen von Epilepsie. Und es gibt Medikamente, die helfen können. Oder auch Therapien oder Operationen.
Weiterlesen „Artikel in einfacher Sprache“Wie ich wohne
Wer wohnt wie? In der Kolumne geben Menschen aus dem BISS-Netzwerk Einblicke in ihren Wohnalltag. Sie erzählen, wie sie früher gelebt haben, wie sie momentan wohnen und was sie sich für die Zukunft erhoffen.
Der Rheinländer
Protokoll FELICITAS WILKE
Foto MARTIN FENGEL
„Seit drei Jahren ist ein Seniorenheim im Norden von Schwabing mein Zuhause. Wenn mir danach ist, habe ich hier immer Menschen um mich herum. Ich habe eine nette Clique, mit der ich mich fast jeden Tag im Café treffe, um Kaffee zu trinken und mich zu unterhalten. Manchmal gehen wir uns auch auf die Nerven. Dann ziehe ich mich in mein Zimmer oder auf meinen Balkon zurück, wo ich meine Ruhe habe. Der Kaffee schmeckt dort auch besser: Nichts geht über meinen Nescafé! Mein Zimmer im Seniorenheim ist nicht groß, hat aber ein eigenes Bad und auch ansonsten alles, was ich brauche. Das Bett ist höhenverstellbar, damit ich ohne Hilfe rein- und rauskomme. An dem kleinen Esstisch nehme ich die Mahlzeiten zu mir, das Essen wird mir nämlich ins Zimmer geliefert. Komme ich mal später nach Hause, habe ich auch eine eigene Mikrowelle, um mir etwas warm zu machen. Ich schätze, dass der Heimplatz um die 3.000 Euro im Monat kostet, allerdings übernimmt der Bezirk Oberbayern einen Großteil. Einige hundert Euro steuere ich mit meiner Rente und meinem Pflegegeld bei. Im Gegenzug ist hier einiges geboten: Es gibt einen großen Garten, man kann Spiele spielen und einmal pro Woche zu einer Aufführung im hauseigenen Theater gehen. Ich finde es gut, wenn etwas los ist. Geboren bin ich in Würselen bei Aachen, meine Kindheit verbrachte ich in Düsseldorf. Dort arbeitete mein Vater auf Zeche. Zusammen mit meinen Eltern und meinen sieben Geschwistern lebte ich in einem Haus in der Stadt. Wir fuhren aber auch oft nach Essen, wo meine Oma lebte. Gab es Krach zu Hause, blieb ich einfach länger bei Oma. Nach der Schule machte ich in Düsseldorf eine Schneiderlehre. Da mir auf Dauer zu wenig Geld dabei herumkam, schulte ich um, wechselte in die Gastronomie und zog nach Hamburg. Dort arbeitete ich 24 Jahre lang in Gaststätten und Kneipen auf der Reeperbahn und in St. Georg. Zeitweise lag sogar meine Wohnung über einer Bar. Es war eine wilde Zeit. Ich bekam Schießereien zwischen Zuhältern in der Kneipe „Ritze“ mit und erlebte Jimi Hendrix live in Eppendorf. Aber irgendwann war es Zeit für etwas Neues. Nach einem kurzen Umweg über Berlin kam ich 1989 nach München. Auch in München stürzte ich mich zunächst ins „Nachtleben“. Ich arbeitete mal hier, mal dort in der Gastronomie und trank abends im „Wintergarten“ am Elisabethplatz mein Feierabendbier. Dort lernte ich schnell neue Leute kennen. Als 1993 die BISS gegründet wurde, war ich einer ihrer ersten Verkäufer. In München wohnte ich lange in einem Hochhaus in Schwabing, in der Nähe meines Seniorenheims. Bei einem Hausfest lernte ich meine Nachbarn eines Tages besser kennen, darunter ein Ehepaar. Wir wurden Freunde, gingen zusammen auf die nahe gelegene Bowlingbahn oder in den Biergarten. Als ich vor einigen Jahren schwer erkrankte, meine Sehkraft weitgehend verlor und nicht mehr arbeiten konnte, unterstützte mich meine Nachbarin sehr – das tut sie bis heute. Zweimal in der Woche kommt sie vorbei oder begleitet mich zu Terminen. Einmal im Monat gehen wir zusammen auswärts essen, oft in den „Wintergarten“ – wie früher.“
Was verlängert das Leben?
EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT
von Thabit Gorgies Dinha
Ein Prinz träumte davon, immer ein starker, junger Mann zu sein und niemals alt zu werden. Also bat er seinen Weisen, ihm Medizin zu besorgen, die ihn für immer jung hält. Der Weise machte sich auf, um in Städten und Dörfern nach Medikamenten zu suchen. Als er wieder einmal in ein Dorf kam und nicht fündig wurde, rieten ihm die Dorfbewohner, auf den Gipfel des nahen Berges zu gehen und mit den beiden Brüdern zu reden, die dort wohnten. Kurz vor Sonnenuntergang kam der Weise am Gipfel an. Dort sah er zwei Häuser. Das erste Haus war klein und unordentlich. Vor der Tür saß ein alter Mann. Der Weise grüßte ihn und fragte, ob er bei ihm übernachten könne. Da rief schon die Frau aus dem Haus: „Wir haben keinen Platz für Gäste. Gehen Sie woandershin!“ Da ging der Weise zum zweiten Haus. Es war schön und ordentlich, umgeben von Blumen und Bäumen, in denen Vögel zwitscherten. Vor dem Haus saß ein junger Mann, begrüßte ihn und rief ins Haus: „Heute haben wir einen Gast!“ Der junge Mann und seine Frau bereiteten dem Weisen den schönsten Empfang und in der Nacht ein warmes Bett. Am nächsten Tag fragte der Weise: „Warum bist du jung und dein Bruder so alt?“ Da lachte der junge Mann und sagte: „Du irrst. Er ist mein kleiner Bruder, ich bin sogar zwanzig Jahre älter als er!“ Da bat ihn der Weise, ihm sein geheimes Kraut der Jugend zu verraten, und versprach, ihm alles im Austausch dafür zu
geben, was er sich wünschte. Der Mann aber antwortete: „Es ist kein Essen und kein Kraut, das mich jung und gesund hält. Der Grund ist, dass ich meine Frau gefunden habe und wir uns mit Barmherzigkeit, Zärtlichkeit, Respekt und Wertschätzung begegnen.“ Diese Geschichte gefällt mir sehr, weil sie zeigt, dass man mit Respekt in der Partnerschaft und als gutes Team immer weiterkommt. Außerdem ist man seinen Kindern damit ein gutes Vorbild. In jeder Familie gibt es Probleme, aber das Fundament für alles ist die Liebe. Wenn es die Liebe gibt, gibt es alles: Toleranz und Verzeihung. Wenn die Liebe einmal vorbei ist, sollte man sich trennen ohne Hass. Das Leben ist eben so.
Möchte jemand tauschen?
Manche meinen, der Regelsatz für das Bürgergeld sei zu hoch (563 Euro pro Monat für Alleinstehende). Dadurch biete es Menschen, die eigentlich arbeiten könnten, den Anreiz, von dieser Grundsicherung zu leben und die Arbeitssuche aufzugeben. Die Zahlen zum Thema Bürgergeld liegen auf dem Tisch: 5,5 Millionen Menschen in Deutschland sind auf das Bürgergeld angewiesen, davon sind 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Weitere zwei Millionen sind nur bedingt erwerbsfähig oder Aufstocker zum Einkommen (Quelle: Marcel Fratzscher, DIW). Bleiben 1,7 Millionen erwerbsfähige Leistungsbezieher, die unserer Erfahrung nach mehrheitlich lieber arbeiten würden, als Bürgergeld zu beziehen. Häufig stecken sie in Lebenskrisen oder Umbrüchen fest und brauchen zeitweise Unterstützung, bis sie wieder eine Arbeitsstelle finden und keine Hilfen mehr benötigen. Hier vor Ort fördern etwa das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ) und die berufsbezogene Jugendhilfe die berufliche Integration. Denn wer eine abgeschlossene Ausbildung hat, findet viel einfacher einen Arbeitsplatz und kann seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Wer die BISS liest, weiß das schon längst. Denn unsere Verkäuferinnen und Verkäufer bemühen sich trotz schwieriger Lebensumstände jeden Tag aufs Neue um ein besseres Leben. Einer von ihnen war Manfred Kügler, der erst 58 Jahre alt war, als er im August nach längerer Krankheit verstarb (Nachruf Seite 19). Seine Kundschaft weiß, wie unglaublich hart er gekämpft hat. Es gibt aber auch gute Nachrichten: BISS-Verkäufer Petru Radu ist überglücklich, denn er hat mit Unterstützung von BISS eine Wohnung gefunden. Es ist eine ganz besondere Wohnung, zu der die Benefizauktion zum 30-jährigen BISS-Jubiläum im vergangenen Jahr den Grundstein gelegt hat (siehe Seiten 24 und 25). Und wer die Patenseite aufmerksam studiert, kann sehen, das Ladislav Dieti zurück und seit dem 1. September wieder fest angestellt ist. Er hat seinen Schlaganfall überstanden und wollte, wie die beiden anderen Herren auch, unter allen Umständen wieder zurück in ein Leben mit einer sinnvollen Aufgabe, mit Festanstellung und insbesondere mit dem belebenden Kontakt zu den BISS-Leserinnen und -Lesern. Um wieder zum Bürgergeld zurückzukommen: Es soll helfen, existenzielle Krisen im Leben zu überstehen. Wer behauptet, die Mehrheit derjenigen, die darauf angewiesen sind, wollen es nicht anders, der sagt die Unwahrheit. Oder die Person weiß es nicht besser, beides finde ich gleichermaßen erschreckend. Insbesondere, wenn in der politischen Diskussion Stimmung gegen Schwächere gemacht wird. Das Leben tauschen, da bin ich mir sicher, will keiner.
Herzlichst