BISS-Ausgabe November 2020 | Glück in schweren Zeiten

Cover des BISS-Magazins November 2020

Thema | Abschied nehmen| Einen geliebten Menschen zu verlieren – entweder schleichend durch eine Krankheit oder durch Tod – wirft viele existenzielle Fragen auf | 6 Urlaub trotz Demenz: Pause vom Alltag in der Langau| 10: Hinterblieben: Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist | 16 Was von einem Menschen übrig bleibt: Was passiert, wenn Menschen, die keine Angehörigen haben, sterben| 18 Epilepsie: Wenn das Gehirn plötzlich aussetzt | 22 Der Weg durch die Krise: BISS-Anzeigenkunden erzählen, wie es ihnen durch Corona ergangen ist | 24 Rückblick & Ausblick | Schreibwerkstatt | 5 Was uns verbindet | Rubriken | 3 Editorial | 28 Patenuhren | 29 Freunde und Gönner | 30 Mein Projekt, Impressum | 31 Adressen

Freiheit in Geborgenheit

Von Gabriele Winter

Südlich von München, nicht weit entfernt von der Wieskirche, können Menschen mit ihren an Demenz erkrankten Angehörigen Urlaub machen. Wir haben ein Paar in der Langau begleitet.

Foto: Bethel Fath

Ehepaar Becker

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten …“, singt Renate Becker voller Inbrunst. Für sie haben diese Worte eine ganz eigene Bedeutung, denn seit fünf Jahren pflegt die 82-Jährige ihren demenzkranken Mann Claus. Die Gedanken ihres Mannes bleiben für Renate Becker zunehmend ein Geheimnis, denn ihr früher so kommunikativer Partner kann keine komplexen Unterhaltungen mehr führen. Doch beim Singen fällt ihm der Text noch ein: „… sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten …“, stimmt Claus mit ein. Die Beckers sitzen mit zwei anderen Paaren, bei denen ein Partner den anderen pflegt, auf der Gartenterrasse der Bildungs- und Erholungsstätte Langau in Steingaden, auf dem Schoß eine Mappe mit Liedern. Die weitläufige Terrasse ist mit Büschen begrenzt und gehört zum Demenzbereich, was aber nur Eingeweihte wissen. Niemand fühlt sich hier eingesperrt und stigmatisiert – gelebte Inklusion also. Mitarbeiterin Lisa Wohlfrom betreut das Singen und bewundert die Textsicherheit, vor allem der dementen Sänger*innen. Wohlfrom kümmert sich in der Langau um Entlastungsangebote für  Angehörige von Menschen  mit Demenz. Dort, im Pfaffenwinkel unweit der Wieskirche, können Demenzkranke und Menschen mit Behinderung mit ihren pflegenden Angehörigen so Urlaub machen, dass es sich auch wie Urlaub anfühlt.

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Pause für die Kultur

EIN TEXT AUS DER SCHREIBWERKSTATT

von Wolfgang Räuschl

Normalerweise würde ich jetzt sehr gerne von meiner alljährlichen Reise nach Verona berichten, aber wie so vieles ist auch sie wegen Corona abgesagt worden. Keine Kulturveranstaltungen von März an, ob Gasteig oder anderswo. Natürlich bin ich sehr traurig, aber man muss der Gesundheit und der Vernunft nun mal den Vortritt lassen. Hoffentlich beginnt mit der neuen Saison ab Herbst in München wieder das kulturelle Leben: Denn es wird für mehrere Jahre die letzte Spielzeit am Gasteig sein, danach geht es nach Sendling ins Ausweichquartier. Viele meiner Stammkunden haben mir erzählt, dass sie vielleicht in den Ersatzsaal gehen werden und sich freuen würden, wenn wir uns dort treffen. Andere wiederum wollen aussetzen und warten auf das neue Konzerthaus am Ostbahnhof. Ich möchte all die Jahre, in denen ich am Gasteig meine Zeitung verkauft habe, egal bei welchem Wetter, nicht vergessen. Es waren immer schöne Tage und Nächte, und so mancher Stammkunde kam mit mir ins Gespräch, erzählte mir vom Konzert, dem Orchester, das spielte, und ob der Dirigent gut oder schlecht war. In dieser Zeit lernte ich auch sehr viele Menschen kennen, die am Gasteig arbeiten: von Herrn Wagner, dem Chef des Hauses, bis zur Garderobenfrau. Manchmal kam es mir wie eine kleine Familie vor, die alles für ihre Gäste tut. Nun ist das Haus seit März geschlossen, nur die Stadtbücherei ist geöffnet. In den vergangenen Monaten ging ich öfter dran vorbei, um mich zu erkundigen, ob vielleicht doch die ein oder andere Veranstaltung stattfindet. Aber ich kam mir vor wie in einer Geisterstadt, in der alles verschlossen ist. Ich blicke nach vorn und stehe bereits in den Startlöchern, die Gäste und meine Stammkunden wiederzusehen und die BISS wieder vor dem Gasteig zu verkaufen. Mit Mundschutz natürlich. Und ich träume vom nächsten Jahr, wenn ich dann hoffentlich wieder ein paar Tage in meiner Lieblingsstadt Verona sein und einen schönen Opernabend erleben kann. Auf eine tolle Spielzeit! Bleiben Sie gesund und möge Corona verschwinden.